Page 278 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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irgend eine anderweitige Lebensweise, welcher er sich wahrscheinlich
                nähern wird, als die ihm schmeichelte? – Nein, keine andere, sagte er. –
                Ein Feind des Gesetzes demnach, glaube ich, wird er allem Anscheine

                nach aus einem vordem Gesetzlichen geworden sein. – Ja, nothwendig. –
                     17. Nicht wahr also, sagte ich, erklärlich ist dieses, was denjenigen
                widerfährt, welche in solcher Weise sich an die Dialektik machen, und es
                verdient, wie ich so eben sagte, gar sehr Verzeihung. – Ja, und auch
                Mitleid, sagte er. – Nicht wahr also, eben davor, daß dieses Mitleid nicht
                bei jenen Dreißigjährigen dir eintreten müsse, sollst du in jeder Weise
                vorsichtig sein und so die Dialektik ergreifen? – Ja wohl, gar sehr, sagte

                er. – Ist also nicht dieses schon die Eine sehr ausgedehnte Vorsicht, daß
                sie nicht in der Jugend Solches zu kosten bekommen? denn ich glaube,
                es werde von dir nicht unbemerkt geblieben sein, daß die Jünglinge,
                wann sie zum ersten Male Begründungen zu kosten bekommen, sie wie
                im Spiele mißbrauchen, stets zu Rede und Gegenrede sie benutzend, und
                daß sie in Nachahmung derer, von welchen sie widerlegt werden, auch

                selbst wieder Andere widerlegen, indem sie wie junge Hunde eine
                Freude daran haben, stets ihren Nächsten mit einer begründenden Rede
                zu zupfen und zu zerren. – Überschwenglich wahr ist dieß, sagte er. –
                Nicht wahr also, wenn sie selbst Viele widerlegt haben und auch von
                Vielen schon widerlegt wurden, so verfallen sie hastig und schnell
                darauf, daß sie an Nichts von allem Früheren mehr in ihrer Meinung
                festhalten; und in Folge hievon kamen so wohl sie selbst, als auch das

                Ganze, was die Weisheitsliebe betrifft, bei den Uebrigen in schlimmen
                Ruf. – Völlig wahr, sagte er. – Hingegen der bereits Aeltere, sprach ich,
                wird an derartigem Wahnsinne sich nicht betheiligen wollen, sondern
                denjenigen, welcher dialektisch sich üben und die Wahrheit erwägen
                will, weit eher nachahmen als jenen, der um des Scherzes willen eben
                scherzt und gegen eine Rede die Gegenrede setzt, und er wird überhaupt

                sowohl selbst weit gemäßigter sein, als auch diese Bestrebung zu einer
                geachteteren, nicht aber zu einer mißachteteren, machen. – Dieß ist
                richtig, sagte er. – Nicht wahr also, auch was wir schon vor diesem
                gesagt haben, ist sämmtlich im Hinblicke auf eine Vorsicht gesagt
                worden, daß die Begabung derjenigen, welchen man Antheil an der
                Dialektik geben will, eine ordentliche und beständige sein müsse, nicht
                aber, wie es jetzt der Fall ist, der nächste Beste, welcher Nichts mit

                solchen Dingen zu schaffen hat, sich zu demselben wende? – Ja wohl,
                allerdings, sagte er. – Wird es demnach hinreichend sein, wenn man bei
                der Beschäftigung mit Dialektik in kräftiger und angespannter Weise,
                ohne irgend etwas Anderes zu betreiben, sondern gerade in umgekehrt





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