Page 279 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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entsprechender Weise wie bei den Leibesübungen sich übend, doppelt so
                viele Jahre verweilt, als damals dort? – Meinst du sechs oder vier Jahre?
                sagte er. – Du magst immerhin fünf annehmen. Nemlich nach dieser Zeit

                werden sie wieder in jene Höhle hinabgebracht und dort gezwungen
                werden müssen, in den Verhältnissen des Krieges und wo es sonst noch
                Jüngeren zusteht, eine Herrschaft auszuüben, damit sie nicht an
                Erfahrung den Uebrigen nachstehen; und dann müssen sie auch hierin
                noch erprobt werden, ob sie, wenn man sie nach allen Seiten hinzieht,
                Beständigkeit haben oder irgend schwanken. – Wie viele Zeit aber
                bestimmst du hiefür? sagte er. – Fünfzehn Jahre, erwiederte ich; und

                wenn sie so fünfzig Jahre alt geworden sind, so muß man diejenigen
                unter ihnen, welche überall in jeder Beziehung in Werken und im Wissen
                bewahrt blieben und sich auszeichneten, nun bereits an das Ziel führen
                und sie nöthigen, daß sie den Glanzpunkt ihrer Seele aufwärts richten
                und auf jenes selbst hinblicken, was Allem Licht verleiht, und daß sie,
                nachdem sie das Gute an und für sich geschaut haben, es als Musterbild

                benutzen und einen Staat und die einzelnen Bürger und sich selbst für
                das übrige Leben zu schmuckvoller Ordnung herstellen, und zwar
                abwechslungsweise jeder Einzelne, indem sie meistenteils wohl der
                Weisheitsliebe sich widmen, aber, wenn die Reihe sie trifft, wieder in
                staatlichen Dingen sich mühen und jeder irgend eine Herrschaft ausübt
                um des Staates willen, nicht als thäten sie hiemit etwas Herrliches,
                sondern nur etwas Nothwendiges, und daß sie in solcher Weise wieder

                andere Derartige heranbilden und, indem sie Solche an ihrer Stelle als
                Wächter des Staates hinterlassen, in die Inseln der Seligen abgehen und
                dort wohnen; Gedächtnißfeierlichkeiten aber und Opferfeste soll der
                Staat ihnen in öffentlicher Weise veranstalten, und zwar, wenn die
                pythische Göttin es billigtVgl. oben B. IV, Cap. 5 u. Anm. 152 und 200.,
                als wirklichen Dämonen, wenn aber nicht, als glückseligen und

                göttlichen Menschen. – Als überaus herrliche ja, sagte er, hast du, o
                Sokrates, hiemit die Herrscher, gleichsam als wärest du ein Bildhauer,
                vollendet hingestellt. – Ja, und auch die Herrscherinnen, o Glaukon,
                sprach ich; denn glaube nur nicht, daß ich irgend Etwas von jenem, was
                ich sagte, in höherem Grade von den Männern, als von den Frauen
                gesagt habe, so viele deren nemlich mit genügender Begabung geboren
                werden. – Es ist richtig, sagte er, woferne sie ja, wie wir durchgingen B.

                V, Cap. 3–6., in Allem den gleichen Antheil, wie die Männer, haben
                werden. – Wie also nun? sprach ich; gesteht ihr jetzt zu, daß wir betreffs
                des Staates und der Staatsform nicht durchaus bloß in frommen
                Wünschen gesprochen haben, sondern Dinge, welche wohl schwierig,





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