Page 284 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Beziehung werden unsere Helfer und unsere Herrscher gegenseitig und
unter sich selbst in Zwiespalt gerathen? oder willst du, daß wir, wie
HomerosIn der ersten Zeile der Ilias., zu den Musen flehen, daß sie uns
sagen, wie wohl zuerst Zwiespalt eingetreten sei, und wollen wir
behaupten, daß sie in abenteuerlicher Weise, als wenn sie mit uns, wie
mit Kindern, scherzten und uns neckten, gleichsam als meinten sie es
ernsthaft, in hochtrabenden Worten sich ausdrücken? – Wie so? –
Ungefähr folgendermaßen: »Schwer zwar ist es, daß ein auf diese Weise
gestalteter Staat gerüttelt werde; aber da alles Entstandene auch einen
Untergang hat, so wird auch die derartige Gestaltung nicht die gesammte
Zeit hindurch bestehen bleiben, sondern irgend einmal aufgelöst werden.
Diese Auflösung aber ist folgende: Nicht bloß für die der Erde
entsprossenden Pflanzen, sondern auch für die auf der Erde lebenden
Thiere entstehen Zeitpunkte einer Fruchtbarkeit und einer
Unfruchtbarkeit, wann gewisse Perioden je mit den einzelnen Wesen
irgend Kreis-Umläufe zusammentreffen lassen, nemlich mit den
kurzlebenden kurzdauernde, mit den langlebenden aber langdauernde
Umläufe. Was aber euer Menschen Geschlecht betrifft, so werden der
Zeitpunkte einer richtigen Zeugung und einer Unfruchtbarkeit die von
euch gebildeten Lenker des Staates, so weise sie auch sein mögen, doch
darum durch nichts Anderes, als nur durch einen mit
Sinneswahrnehmung vermischten Vernunftschluß habhaft werden
können; ja, gerade entgehen werden ihnen diese Zeitpunkte, und sie
werden dann einmal Kinder in einer Zeit erzeugen, in welcher sie nicht
sollen. Es gibt aber für das Produkt einer göttlichen Zeugung eine
Periode, welche von einer schlechthin vollkommenen Zahl umfaßt wird,
hingegen für das einer menschlichen eine ursprüngliche Zahl, in welcher
irgend mächtige Multiplicirungen und drei allbeherrschende Abstände
mit vier abgegrenzten Maßen des Aehnlichmachenden und
Unähnlichmachenden und des Wachsenden und Abnehmenden
zusammentreffen und so Alles gegenseitig zu einem proportionalen und
rationalen machen, wovon eben das Vierdrittel-Verhältniß als
Grundwurzel zu Accorden mit der Fünfzahl verbunden zwei Harmonien
bewirkt, indem es zur Dreiheit der Dimensionen potenzirt wird, nemlich
daß die Eine Harmonie immer ein gleichmal Gleiches, also eine
Potenzirung vermittelst eines hundertfachen Hundertes ist, die andere
Harmonie hingegen wohl einerseits ein Quadrat, andrerseits aber ein
Rechteck enthält, nemlich erstens hundert Quadratzahlen der rationalen
Diagonalzahl von Fünf, wobei von jeder Quadratzahl Eins abgezogen
wird, und zwei Quadratzahlen der irrationalen Diagonalzahl von Fünf,
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