Page 289 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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einfacheren sind, nemlich zu Männern, welche mehr für den Krieg als
                für den Frieden begabt sind, und daß sie die hierauf bezügliche List und
                Gewandtheit in Ehren hält und die ganze Zeit hindurch hinwiederum

                auch mit sich selbst im Kriege lebt, Derartiges also wird sie größtenteils
                als das ihr Eigenthümliche an sich haben? – Ja. – Aber eine Begierde ja,
                sagte ich, werden die Derartigen nach Geldbesitz haben, wie die
                Menschen in den Oligarchien, und im Dunkeln werden sie Gold und
                Silber unbändig ehren, weil sie ja Vorratskammern und ihnen gehörende
                Schätze besitzen, woselbst sie solches heimlich hinterlegen, und auch
                wieder Umfangsmauern um ihre Wohnungen, so ziemlich wie einzelne

                Nester, in welchen sie mit ihren Weibern und anderen Leuten, mit
                welchen sie eben wollen, ihre Schätze verzehren und vielen Aufwand
                machen können. – Völlig wahr ist dieß, sagte er. – Nicht wahr also, auch
                sparsam mit ihrem eigenen Gelde werden sie sein, weil sie es ja ehren
                und nicht offenkundig besitzen, hingegen mit fremdem werden sie gerne
                Aufwand machen wegen ihrer Begehrlichkeit, und heimlich

                Vergnügungen genießen, indem sie, wie Kinder vor dem Vater, so vor
                dem Gesetzgeber entlaufen, nicht durch freie Ueberredung, sondern
                durch Gewalt herangebildet, weil sie die wahrhafte Muse, welche mit
                begründenden Reden und mit Weisheitsliebe verbunden ist,
                vernachlässigt haben, und die gymnische Kunst in höheren Ehren halten,
                als die musische. – Ja, durchaus, sagte er, bezeichnest du hiemit eine aus
                Schlechtem und Gutem gemischte Staatsverfassung. – Ja, gemischt ist

                sie allerdings, erwiederte ich; aber irgend Eines wird in ihr in Folge der
                Herrschaft des Muthigen am deutlichsten hervortreten, nemlich
                Streitliebe und Ehrliebe. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Nicht wahr also,
                sprach ich, diese Staatsverfassung möchte auf diese Weise entstanden
                und derartig beschaffen sein, um nemlich in dieser Begründung nur den
                Umriß ihrer Verfassung zu entwerfen und keine genaue Ausführung zu

                geben, da es ja genügt, aus dem Umrisse den Gerechtesten und den
                Ungerechtesten zu erblicken, hingegen es eine vermöge der Länge
                unmögliche Aufgabe wäre, sämmtliche Staatsverfassungen und
                sämtliche Charaktere, ohne irgend Etwas wegzulassen, durchzugehen. –
                Ja, dieß ist richtig, sagte er. –
                     5. Welcher also nun wird der dieser Staatsverfassung entsprechende
                Mensch sein? wie wird er entstehen und wie beschaffen wird er sein? –

                Ich glaube, sagte Adeimantos, er wird so ziemlich diesem Glaukon da
                nahe kommen, wenigstens was die Streitliebe betrifft. – Vielleicht, sagte
                ich, in diesem Betreffe wohl; aber in Folgendem scheint er mir seiner
                Begabung nach diesem nicht zu entsprechen. – Welches ist dieß? – Er





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