Page 288 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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unharmonische Unregelmäßigkeit; sobald aber diese entstehen, erzeugen
                sie da, wo sie entstehen, stets Krieg und Feindschaft. Einem solchen
                Menschengeschlecht demnach, muß man behaupten, gehört stets der

                Zwiespalt an, wo immer er entsteht.« – Ja, und wir werden wohl
                behaupten, sagte er, daß sie uns hiemit eine richtige Antwort gegeben
                haben. – Dieß muß allerdings nothwendig der Fall sein, sprach ich, da sie
                ja Musen sind. – Wie also nun? sagte er, was sprechen die Musen
                bezüglich des hiernach folgenden? – Sobald, erwiederte ich, Zwietracht
                entstanden ist, so drängen hiemit jene beiden Geschlechter, nemlich das
                eiserne und ehrne, zum Gelderwerbe und zum Besitze von Ländereien

                und Wohnungen und von Gold und Silber, hinwiederum aber das
                goldene und silberne, welche ja nicht arm, sondern ihrer natürlichen
                Begabung nach reich sind, ziehen die Seelen zur Vortrefflichkeit und zur
                ursprünglich alten Einrichtung hin. Indem sie aber so gegenseitig
                einander Gewalt anthun und sich entgegenstreben, verständigen sie sich
                zu dem Mittelwege, daß sie einerseits Ländereien und Wohnungen

                verteilen und so zu einem Einzeln-Besitze machen, andrerseits aber
                diejenigen, welche vorher von ihnen als Freie bewacht worden waren,
                nemlich ihre Freunde und Ernährer, jetzt in Knechtschaft bringen und als
                ihre Schützlinge und Untergebenen behandeln und nun sie selbst die
                Besorgung des Krieges und der Bewachung derselben übernehmen. – Es
                scheint mir, sagte er, dieser Uebergang wirklich von da aus stattzufinden.
                – Nicht wahr also, sprach ich, irgend ein Mittleres zwischen Aristokratie

                und Oligarchie dürfte wohl diese Staatsverfassung sein? – Ja, allerdings.
                –
                     4. Uebergehen demnach wird sie auf diese Weise; nachdem sie aber
                übergegangen, wie wohl wird sie dann eingerichtet sein? oder ist etwa
                augenfällig, daß sie in Einigem die frühere Verfassung, in Anderem aber
                die Oligarchie nachahmen wird, weil sie ja in Mitte zwischen beiden

                steht, und auch, daß sie irgend Etwas ihr selbst Eigenthümliches an sich
                haben wird? – Ja, so ist es, sagte er. – Nicht wahr also, darin, daß sie ihre
                Herrscher ehrt und daß der für sie kämpfende Stand sich des Ackerbaues
                und der Handwerke und des übrigen Gelderwerbes enthält, und daß sie
                gemeinschaftliche Mahlzeiten eingerichtet hat und für gymnische und
                kriegerische Wettkämpfe sorgt, in all diesem also wird sie die frühere
                Verfassung nachahmen? – Ja. – Aber daß sie eine Furcht davor hat, die

                Weisen zur Ausübung der Herrschaft zu führen, weil sie nemlich keine
                derartigen Männer mehr, welche schlechthin einfach und streng waren,
                sondern ja nur gemischte besitzt, und daß sie daher zu den Mutherfüllten
                und denjenigen sich hinneigt, welche unter den übrigen noch die





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