Page 264 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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er. – Was du so eben selbst angeführt hast, erwiederte ich, nemlich was
zum Kriege gehört; und wir wissen ja, daß auch für die übrigen
Lerngegenstände bezüglich einer besseren Empfänglichkeit doch wohl
im Ganzen und bei jedem einzelnen es einen Unterschied macht, ob
Jemand sich mit Geometrie befaßt hat oder nicht. – Ja, bei Gott,
allerdings, sagte er. – Wollen wir hiemit dieß als zweiten
Unterrichtsgegenstand für die Jünglinge aufstellen? – Ja, wir wollen dieß
aufstellen, sagte er. –
10. Wie aber? wollen wir als dritten die Astronomie bezeichnen?
oder scheint es dir nicht so? – Ja, mir allerdings, sagte er; denn eine
geübtere Wahrnehmung zu haben bezüglich der Jahreszeiten und der
Monate und der Jahre, gebührt sich nicht bloß für den Landbau und die
Schifffahrt, sondern auch in gleichem Grade für die Feldherrnkunst. – Ei,
du bist ja gar liebenswürdig, sagte ich, daß du um der Menge willen den
Schein fürchtest, unbrauchbare Unterrichtsgegenstände vorzuschreiben;
hingegen jenes ist allerdings nichts Geringfügiges, sondern schwer zu
glauben, daß in jedem einzelnen dieser Unterrichtsgegenstände irgend
ein Werkzeug der Seele gereinigt und angefacht wird, welches in Folge
der übrigen Thätigkeiten zu Grunde geht und erblindet, dessen
Bewahrung aber wichtiger ist, als jene von tausend Augen; denn durch
jenes allein wird die Wahrheit geschaut. Jenen nun, welche diese Ansicht
theilen, wirst du unmöglich richtig zu sprechen scheinen; hingegen
diejenigen, welche hievon keinerlei innerliche Erfahrung besitzen,
werden wohl der Ansicht sein, daß du überhaupt Nichts hiemit gesagt
habest; denn diese sehen auch keinen anderweitigen nennenswerten
Nutzen von jenem ein. Erwäge also von hier aus, mit welchen von
beiden du sprechest, oder ob vielleicht mit keinen von beiden, sondern
du um deiner selbst willen größtenteils die begründenden Reden
unternehmest, und dabei auch keinen Anderen beneidest, falls er etwa
irgend einen äußeren Nutzen aus jenem zieht. – In letzterer Weise, sagte
er, ziehe ich es vor, daß ich nemlich um meiner selbst willen das meiste
sage und frage und antworte. – Thue also nun, sprach ich, einen Schritt
rückwärts; denn so eben haben wir nicht richtig jenes erfaßt, was in der
Reihenfolge nach der Geometrie kommt. – Wie so? sagte er. – Indem
wir, erwiederte ich, nach den ebenen Flächen sogleich das Körperhafte
als ein räumlich bewegtes erfaßten, noch ehe wir es selbst an und für sich
erfaßten; das Richtige hingegen ist, in der Reihenfolge nach der zweiten
Dimension die dritte zu erfassen; diese besteht aber doch wohl in der
Dimension des Würfels und überhaupt demjenigen, was eine Tiefe hat. –
Ja, so ist es, sagte er; aber dieß ja, o Sokrates, scheint noch nicht
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