Page 366 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Dieselben das Nemliche sagt, was du über die Ungerechten sagtest B. II,
                Cap. 5.? Ich werde nemlich behaupten, daß die Gerechten, wann sie älter
                geworden, in ihrem Staate herrschen, sobald sie eine Herrschaft

                auszuüben wünschen, und Ehen schließen werden, aus welchen Familien
                sie wollen, und ihre Töchter ausheirathen werden, an wen sie nur
                wünschen, und überhaupt Alles, was du damals über Jene sagtest, sage
                ich jetzt über diese. Und auch hinwiederum betreffs der Ungerechten,
                daß die meisten derselben, auch wenn sie in ihrer Jugend unbemerkt
                blieben, zuletzt am Ziele des Laufes erwischt werden und man sie
                verlacht, und daß sie als Greise unglücklich sind und von Fremden und

                Bürgern mit Füßen getreten und gegeißelt werden und auch, was du dort
                mit Recht als ein Gröberes bezeichnetest, sie gefoltert und durch
                Ausbrennen ihrer Augen beraubt werden. Stelle dir hiemit vor, du habest
                nun auch von mir gehört, daß Diesen all Jenes widerfahre, und sieh nun
                zu, ob du, wenn ich dieß sage, es ertragen könnest. – Ja wohl, allerdings,
                sagte er; denn du sprichst Gerechtes. –

                     13. Dasjenige demnach, sprach ich, was dem Gerechten bei seinen
                Lebzeiten seitens der Götter und Menschen als Kampfpreis und als Lohn
                und als Geschenk noch außer jenen Gütern zu Theil wird, welche die
                Gerechtigkeit an und für sich ihm schon verschaffte, möchte wohl
                Derartiges sein. – Ja wohl, sagte er, sehr herrliche und sichere Güter. –
                Dieß jedoch, sprach ich, ist an Zahl und Größe Nichts im Vergleiche mit
                demjenigen, was Jeden von beiden noch nach dem Tode erwartet. Wir

                müssen aber auch dieses hören, damit vollständig Jeder von Beiden
                bekomme, was unsere Begründung ihm schuldet, daß er es höreVgl.
                obige Anm. 7.. – Du wirst es wohl sagen, sprach er, da ich nicht vieles
                Andere lieber hören möchte, als dieses. – Nicht jedoch werde ich dir eine
                Erzählung berichten, wie sie Alkinous zu hören bekam, sondern die eines
                wackeren Mannes, nemlich des Er, des Sohnes des Armenios, seiner

                Geburt nach eines PamphyliersAlkinous ist jener bekannte König der
                Phäaken, welchem in der Odyssee (B. IX–XII) Odysseus die Dinge
                erzählt; welche er in der Unterwelt gesehen hatte; und es setzt nun Plato
                diesem Berichte über das Jenseits, welcher in den von ihm verachteten
                und verhöhnten homerischen Gedichten enthalten ist, einen anderen
                gegenüber (s. oben Anm. 60), und er drückt zum Schlusse noch einmal
                seinen Haß gegen die homerische Poesie aus, indem er gerade im

                Gegensatze gegen dieselbe den Gewährsmann, dessen Angaben dann
                folgen, als einen »wackeren Mann« bezeichnet. Was übrigens das
                Wortspiel betrifft, welches von Plato mit diesem Beinamen »Wacker«
                (άλκιμος) im Vergleiche mit »Alkinoos« getrieben wird, so dürfte es im





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