Page 361 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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nicht einmal mehr ein Körper ist, und sowie Sämmtliches, was wir
                vorhin so eben nannten, durch die ihm eigenthümliche Schlechtigkeit,
                welche durch das bloße Anwohnen und Vorhandensein verderbend wirkt,

                zum Nichtsein gelangt, – soll es nicht ebenso sein? – Ja. – Wohlan also,
                erwäge es auch bei der Seele in der nemlichen Weise. Wirkt die in ihr
                vorhandene Ungerechtigkeit und übrige Schlechtigkeit durch das bloße
                Vorhandensein und Anwohnen verderbend auf sie und macht sie
                abzehren, bis sie zuletzt dieselbe zum Tode führt und vom Körper trennt?
                – Nein, in keiner Weise, sagte er, findet wenigstens dieß Statt. – Aber
                jenes wäre ja gewiß unbegründet, daß die Schlechtigkeit eines

                anderweitigen Dinges Etwas zu Grunde richte, und die eigene des
                Dinges selbst nicht dieß thue. – Ja, unbegründet. – Bedenke nemlich, o
                Glaukon, sagte ich, daß ja auch nicht durch die Schlechtigkeit des
                Getraides, welche an ihm es eben geben mag, sei es Schimmel oder
                Fäulniß, oder irgend eine jedwede andere, nach unserer Meinung der
                Körper zu Grunde gehe; sondern erst, wenn die Schlechtigkeit des

                Getraides dem Körper eine Schlechtigkeit des Körpers einpflanzt,
                werden wir sagen, daß derselbe durch jenes in Folge seiner eigenen
                Schlechtigkeit, welche eine Krankheit ist, zu Grunde gegangen sei;
                hingegen werden wir niemals die Zumuthung aussprechen, daß durch die
                Schlechtigkeit des Getraides, welches etwas Anderes ist, der Körper,
                welcher ein anderer ist, und hiemit nemlich durch ein fremdes
                Schlechtes, ohne daß dieses das von Natur aus eigenthümliche Schlechte

                ihm einpflanzte, er verdorben werde. – Völlig richtig, sagte er, sprichst
                du da. –
                     10. Nach dem nemlichen Grunde demnach, sagte ich, werden wir
                auch, falls nicht die Schlechtigkeit des Körpers der Seele die
                Schlechtigkeit einpflanzt, niemals die Zumuthung aussprechen, daß
                durch ein fremdes Schlechtes ohne die eigene Schlechtigkeit eine Seele

                zu Grunde gehe, nemlich ein Anderweitiges durch das Schlechte eines
                Anderweitigen. – Es hat dieß allerdings sagte er, seinen guten Grund, –
                Entweder demnach wollen wir dieß widerlegen, da es nicht richtig gesagt
                sei, oder, so lange es nicht widerlegt ist, wollen wir niemals behaupten,
                daß durch Fieber oder hinwiederum durch eine andere Krankheit, oder
                durch Hinschlachten, oder auch nicht, wenn Jemand den ganzen Körper
                in die kleinsten Stücke zerschnitte, darum irgend in höherem Grade

                jemals die Seele zu Grunde gehe, bis uns nicht Jemand bewiesen hat, daß
                durch diese Zustände des Körpers eben jene selbst eine ungerechtere und
                frevelhaftere werde; so lange hingegen ein fremdes Schlechtes in einem
                Anderweitigen entsteht, das einem jeden eigenthümliche Schlechte aber





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