Page 360 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Unrecht begehe; ich glaube aber, auch du werdest es können, denn es ist
                nichts Schwieriges. – Für mich gewiß, sagte er; von dir aber möchte ich
                sehr gerne dieses nicht Schwierige hören. – Allerdings magst du es

                hören, erwiederte ich. – So sprich nur, sagte er.
                     Bezeichnest du, sprach ich, Etwas als ein Gutes und Etwas als ein
                Schlechtes? – Ja, gewiß. – Denkst du über dieselben auch ebenso wie
                ich? – In wieferne? – Daß alles Zerstörende und Verderbende das
                Schlechte sei, das Bewahrende und Nutzenbringende aber das Gute? – Ja
                gewiß, sagte er. – Wie aber? sagst du, daß es für jedes Einzelne ein
                Schlechtes und ein Gutes gebe? Wie z. B. für die Augen eine

                Augenentzündung und überhaupt für den ganzen Körper eine Krankheit,
                für das Getraide den Mehlthau, Fäulniß für das Holz, für Erz und Eisen
                aber den Rest, und, wie ich eben sagte, so ziemlich für alle Dinge ein
                einem jeden von Natur aus eigenthümliches Schlechtes und eine
                Krankheit? – Ja gewiß, sagte er. – Nicht wahr also, wenn irgend einem
                Dinge Etwas von diesen zustößt, so macht es dasjenige, welchem es

                zustößt, zu einem schlechten und löst es zuletzt ganz auf und richtet es
                zu Grunde? – Wie sollte es auch nicht so sein? – Also das von Natur aus
                eigenthümliche Schlechte eines jeden Dinges und seine eigene
                Schlechtigkeit richtet es zu Grunde, und wenn nicht Solches es zu
                Grunde richtet, so möchte wohl nichts Anderes mehr es verderben; denn
                das Gute ja wird es doch wohl niemals zu Grunde richten, und
                hinwiederum auch jenes nicht, was weder schlecht, noch gut ist. – Wie

                sollte es auch? sagte er. – Falls wir also Etwas unter dem Seienden
                finden sollten, für welches es zwar ein Schlechtes gibt, wodurch es
                untauglich wird, dieß aber nicht im Stande ist, jenes Ding durch
                Auflösung zu Grunde zu richten, würden wir dann nicht hiemit bereits
                wissen, daß es für das von Natur aus so beschaffene Ding keinen
                Untergang gibt? – Allerdings, sagte er, scheint es auf diese Weise. – Wie

                also nun? sprach ich; gibt es etwa für die Seele Nichts, was sie zu einer
                schlechten macht? – Ja wohl, gar sehr, sagte er; eben alles dasjenige, was
                wir vorher durchgingen, Ungerechtigkeit und Zügellosigkeit und
                Feigheit und Unwissenheit. – Führt also nun irgend Etwas von diesen
                ihre Auflösung und ihren Untergang herbei? und zwar bedenke es wohl,
                damit wir nicht durch die Meinung getäuscht werden, es gehe der
                ungerechte und unverständige Mensch, wann er beim Unrechtthun

                ertappt wird, eben durch die Ungerechtigkeit, welche eine Schlechtigkeit
                der Seele ist, zu Grunde; sondern mache es folgendermaßen: sowie den
                Körper die Schlechtigkeit des Körpers, welche eine Krankheit ist,
                dahinschwinden macht und zu Grunde richtet und dahin bringt, daß er





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