Page 357 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Dichtwerk unter seiner Würde hielte; denn jene vernünftige Erwägung,
                glaube ich, findet sich nur bei einigen Wenigen, daß man nothwendig
                von Fremden den Erfolg für das Eigene verspüren müsse; nemlich wenn

                man in jenem das Mitleidige stark werden läßt, so ist es nicht leicht, bei
                eigenen Leiden es im Zaume zu halten. – Sehr wahr, sagte er. – Gilt also
                nun der nemliche Grund nicht auch betreffs des Lächerlichen? während
                man selbst wohl sich schämt, nur LachenVgl. obige Anm. 179. Es ist
                wahrlich ein Glück, daß der Trieb zur Komik ein unwillkürlicher im
                Menschen ist, und daher auch philosophische Doktrinäre, wo sie es zu
                arg treiben, rettungslos ein Gegenstand des Lachens und des Hohnes

                werden. erregen zu wollen, ist man, wenn man Solches in der
                Nachahmung in der Komödie, oder auch bei Einzelnen hört, gar erfreut
                darüber und haßt es durchaus nicht, und man thut hiemit wohl das
                Nemliche wie auch bei dem Mitleide; denn dasjenige, was man vermöge
                der Vernunft in sich selbst im Zaume hält, sobald es Lachen erregen will,
                indem man hiebei den Ruf der Possenreißerei scheut, läßt man dann frei

                schießen, und wenn man dort Solches häufig in jugendlich
                übersprudelnder Weise gethan hat, wird man häufig, ohne es zu
                bemerken, auch in seinen eigenen Verhältnissen dahin gebracht worden
                sein, daß man zu einem Komödiendichter geworden ist. – Ja wohl, gar
                sehr, sagte er. – Und auch betreffs des Liebesgenusses und des Zornes
                und aller Erregungen der Begierde und des Schmerzlichen und
                Angenehmen, wovon wir sagen, daß es bei jeder Handlung uns begleite,

                bewirkt die dichterische Nachahmung eben Derartiges in uns; sie nährt
                es nemlich, indem sie es gleichsam befeuchtet, während man es
                vertrocknen lassen sollte, und sie pflanzt es uns als Herrscher auf,
                während es beherrscht werden sollte, damit wir nemlich Bessere und
                Glücklichere, nicht aber Schlechtere und Unglücklichere werden. – Ich
                kann wohl nicht anders sagen, sprach er. – Nicht wahr also, o Glaukon,

                sagte ich, wenn du auf Lobredner des Homeros triffst, welche behaupten,
                dieser Dichter habe Griechenland herangebildet, und es lohne sich
                bezüglich der häuslichen Einrichtung und Fortbildung der menschlichen
                Verhältnisse irgend der Mühe, ihn wieder aufzunehmen und kennen zu
                lernen und nach diesem Dichter sein gesammtes eigenes Leben
                einzurichten, so mußt du solche Leute wohl gern haben und lieben, da sie
                nach Kräften die Besten sind, und mußt ihnen zugestehen, daß Homeros

                wohl eben im höchsten Grade ein Dichter und der erste in der Reihe der
                Tragödiendichter sei, aber du mußt dabei wissen, daß man unter der
                Dichtkunst nur Hymnen auf die Götter und Loblieder auf die guten
                Männer in den Staat aufnehmen dürfe; hingegen wenn du jene gewürzte





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