Page 365 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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sie auch jenen Siegerpreis davontrage, welchen sie seitens des Scheines
                erwirbt und den mit ihr Behafteten verleiht, nachdem sich ja gezeigt hat,
                daß sie seitens des wirklichen Seins in der That Güter verleiht und die

                wirklich mit ihr Behafteten nicht täuscht. – Ja, eine gerechte Forderung,
                sagte er, stellst du hiemit. – Nicht wahr also, sprach ich, erstens werdet
                ihr mir dieß zurückerstatten, daß Keiner der Beiden in seiner
                Beschaffenheit den Göttern unbemerkt bleibt? – Ja, wir erstatten dieß
                zurück, sagte er. – Woferne sie aber nicht unbemerkt bleiben, wird wohl
                der Eine ein Gottgeliebter und der andere ein Gottverhaßter sein, wie wir
                auch zu Anfang dieß zugestanden. – Ja, so ist es. – Werden wir aber nicht

                zugestehen, daß dem Gottgeliebten Alles, was ihm seitens der Götter zu
                Theil wird, als das möglichst Beste zu Theil werde, woferne ihm nicht
                irgend ein nothwendiges Uebel in Folge eines früheren Fehltrittes
                anklebt? – Ja wohl, allerdings. – Also diese Annahme müssen wir
                betreffs des gerechten Mannes hegen, mag er in Armuth oder in
                Krankheit oder in irgend einem anderen der scheinbaren Uebel sich

                befinden, daß nemlich diesem all Solches zuletzt bei Lebzeiten oder nach
                seinem Tode zum Guten ausschlagen werde; denn seitens der Götter wird
                ja doch wohl derjenige niemals vernachlässigt, welcher sich darnach
                bemühen will, gerecht zu werden und durch Bethätigung in der
                Vortrefflichkeit, so weit es nur einem Menschen möglich ist, sich dem
                Gotte ähnlich zu machen. – Ja, es scheint wohl, sagte er, daß der so
                Beschaffene von dem ihm Gleichen nicht vernachlässigt werde. – Nicht

                wahr also, betreffs des Ungerechten müssen wir wohl das Gegentheil
                hievon denken? – Ja, in hohem Grade. – Also seitens der Götter möchte
                wohl der Siegerpreis für den Gerechten irgend ein derartiger sein. – Ja,
                wenigstens nach meiner Meinung, sagte er. – Wie aber, sprach ich,
                seitens der Menschen? Verhält es sich da nicht, woferne man das
                Wirkliche aufstellen will, folgendermaßen: Thun nicht jene, welche in

                der Ungerechtigkeit gewandt sind, das Nemliche wie jene Wettläufer,
                welche von den Schranken hinweg gut laufen, von der Mitte der Bahn an
                aber nicht gut? Anfangs nemlich sprengen sie gar hitzig ab, zuletzt aber
                werden sie zum Gespötte, indem sie die Ohren bis auf die Schultern
                herabhängen lassen und unbekränzt ihren Lauf beschließen; hingegen
                diejenigen, welche in Wahrheit Wettläufer sind, kommen an das Ziel und
                erhalten den Kampfpreis und werden bekränzt. Ergeht es nun nicht

                ebenso meistentheils auch betreffs der Gerechten? Am Ziele einer jeden
                Handlung und eines jeden Verkehres und des ganzen Lebens erhalten sie
                Ruhm und empfangen die Kampfpreise von den Menschen? – Ja wohl,
                gar sehr. – Wirst du es also ertragen können, wenn Jemand über





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