Page 364 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Steine und Muscheln rings von sich streift, welche ihr jetzt, da sie von
                der Erde lebt, als viele erdige und steinigte und häßliche Dinge in Folge
                jener glücklich gepriesenen Tafelgenüsse angewachsen sind. Und dann

                wohl möchte man ihre wahre Natur erblicken, mag dieselbe vielartig
                oder einartig sein, und in welcher Weise oder Beziehung sie immer sich
                verhalten mag. Jetzt aber haben wir hiemit, wie ich glaube, die Zustände
                und Formen derselben, welche sie im menschlichen Leben hat, genügend
                durchgegangen. – Ja wohl, durchaus so, sagte er. –
                     12. Nicht wahr also, sagte ich, sowohl das Uebrige haben wir in
                unserer Begründung abgestreift, als auch brachten wir insbesondere nicht

                jene Belohnungen und jenen äußeren Ruhm der Gerechtigkeit bei, wie
                ihr sie aus dem Munde des Hesiodos und Homeros anführtet B. III, Cap.
                6 u. 7., sondern die Gerechtigkeit an und für sich haben wir für die Seele
                an und für sich als das Beste gefunden, sowie daß sie das Gerechte üben
                müsse, mag sie jenen Ring des Gyges besitzen oder nicht, und etwa
                außer diesem Ringe auch noch die Hades-KappeUeber den Ring des

                Gyges s. B. II, Cap. 3 und obige Anm. 22 Die Hades-Kappe, welche
                gleichfalls die Kraft hatte, den sie Tragenden unsichtbar zu machen, wird
                schon in der Ilias (V. V. 845) erwähnt, wo sich Athene derselben bedient;
                daß sie völlig der Tarnkappe der nordisch-germanischen Sage entspricht,
                versteht sich von selbst (s. Grimm, D. Mythol. 1. Aufl. S. 531).. – Du
                sprichst sehr wahr, sagte er. – Mag es also, o Glaukon, sprach ich, wohl
                jetzt hiemit uns unverwehrt sein, außer jenem Bisherigen der

                Gerechtigkeit und der übrigen Vortrefflichkeit auch jene Belohnungen
                zuzutheilen, welche und wie viele sie der Seele seitens der Menschen
                und der Götter zutheile, sowohl so lange der Mensch noch lebt, als auch
                wenn er gestorben ist? – Ja wohl, durchaus so, sagte er. – Werdet ihr mir
                also zurückerstatten, was ihr in der Begründung von mir als Darlehen
                erhieltet? – Was soll dieß wohl sein? – Ich habe euch es hingegeben, daß

                der Gerechte allerdings ungerecht zu sein scheine und der Ungerechte
                gerecht; ihr nemlich waret der Ansicht, daß, wenn man auch in Solchem
                den Göttern und den Menschen nicht verborgen bleiben könne, dieß
                dennoch um der Begründung willen zugegeben werden müsse, damit die
                Gerechtigkeit an und für sich im Vergleiche mit der Ungerechtigkeit an
                und für sich beurtheilt werde B. II Cap. 6–9.; oder erinnerst du dich nicht
                mehr? – Ich würde ja sehr Unrecht thun, sagte er, wenn ich mich nicht

                erinnerte. – Da demnach das Urtheil über beide gefällt ist, so fordere ich
                hinwiederum von euch es zu Gunsten der Gerechtigkeit zurück, daß ihr,
                wie es sich bezüglich ihres Ruhmes bei Göttern und Menschen wirklich
                verhält, es ebenso auch betreffs dieses ihres Scheines zugesteht, damit





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