Page 455 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Bei aller Hinfälligkeit und Gebrechlichkeit vermag sich der Mensch
                doch gegen alle sprachlosen Geschöpfe zu schützen; dagegen sind alle
                die Thiere, die von Natur stärker sind als der Mensch, auch wenn sie

                dem Einflusse des Klima's kräftig zu widerstehen vermögen, nicht im
                Stande, sich gegen den Menschen zu schützen. Demnach hat der Mensch
                der Vernunft mehr zu verdanken, als die Thiere der Natur; denn es
                vermag sie weder das Uebergewicht der Kräfte, noch die Festigkeit des
                Körpers in den Stand zu setzen. sich der Unterdrückung durch uns und

                der Unterwerfung unter unsere Obmacht zu erwehren. –                336  Plato sprach
                seinen Dank gegen die Natur aus, daß er als Mensch geboren sey.                 337
                     2. * * * und [helfen] durch Fuhrwerke der Langsamkeit [unserer

                Bewegung ab.]      338  Und da sie [die Vernunft] die Menschen so
                [unvollkommen] vorfand, daß sie mit regellosen Stimmen
                unverständliche und verwirrte Töne hervorbrachten, sonderte sie
                dieselben, und theilte sie ein, und prägte auf die Gegenstände ihre

                Benennungen wie Stempel,          339  und vereinte so die früher ungeselligen
                Menschen durch das so genußreiche Band der Sprache mit einander.
                Durch eine ähnliche geistige Thätigkeit, nämlich durch die Erfindung
                weniger Zeichen, sind auch alle die scheinbar zahllosen Laute der

                Stimme bezeichnet und ausgedrückt worden, durch die es möglich
                wurde, sich mit Abwesenden zu unterreden, ihnen seine Gesinnung zu
                verstehen zu geben, und vergangene Ereignisse für die Erinnerung
                aufzubewahren. Dazu kamen noch die Zahlen, die nicht nur für das
                Leben unentbehrlich, sondern allein ihrem Wesen nach unveränderlich
                und ewig sind; durch die zuerst auch der Mensch sich angetrieben fühlte,

                an den Himmel hinauf zu schauen,           340  und nicht nutzlos die
                Bewegungen der Gestirne zu beobachten, und dann durch Berechnung

                der Nächte und Tage * * *         341


                                        [Lücke von ungefähr acht Seiten.].


                3. * * * deren Geist sich höher geschwungen und Etwas jener Gottesgabe
                (wie ich sie vorhin nannte) Würdiges hervorzubringen oder zu erdenken
                vermochte. Darum lasse ich denn auch Jene, welche Vorschriften für die
                Führung des Lebens ertheilen, als große Männer gelten, die sie auch
                sind, als Unterrichtete, als Lehrer der Wahrheit und Tugend; nur sey die
                Staatswissenschaft und die Kunst Völker zu leiten, mag sie nun von
                Männern, die im Wechsel der Staatsereignisse lebten, erfunden, oder in

                der wissenschaftlichen Muße jener [Philosophen] abgehandelt seyn, ein





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