Page 618 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 618

ob sie geradezu zu Göttern erholten worden wären, wenn sie einmal
                eines vorzüglichen Exemplars habhaft werten, besonders von jener
                Gattung, die zu ihrer Zeit sehr hoch geschätzt wird.

                     Denn jeder stehen dieselben Steine bei Allen in gleich hohem
                Werthe, noch dieselben Arten zu jeder Zeit. Man kauft sie nicht anders
                als nackt, d.h. ohne Goldfassung, und selbst dann nicht einmal noch,
                wenn der Verkäufer nicht zuvor einen Eid geschworen und Bürgschaft
                gestellt hat, daß es ein echter Edel- oder Halbedelstein sei; so vorsichtig
                gehen sie zu Werke, daß ihre Augen nicht durch einen falschen Stein an
                Stelle eines echten getäuscht werden.

                     Aber wenn du ihn zur Augenweide haben willst, warum sollte dir ein
                unechter weniger Ergötzen gewähren, den dein Auge nicht von einem
                echten zu unterscheiden vermag? Beide sollten dir gleichviel werth sein,
                gerade so, wie einem Blinden auch.
                     Und werden Diejenigen, die überflüssige Reichthümer aufbewahren,
                nicht, um von ihrem aufgehäuften Gelde Gebrauch zu machen, sondern

                blos, um sich an dem Anblicke desselben zu weiden, nicht vielmehr von
                einem Scheinvergnügen betrogen, als daß sie ein wirkliches genössen?
                Oder Diejenigen, welche, dem entgegengesetzten Laster huldigend, ihr
                Gold, von welchem sie nie Gebrauch machen, das sie vielmehr in ihrem
                ganzen Leben nicht wieder sehen werden, vergraben, und, aus Furcht,
                daß sie darum kommen könnten, es wirklich verlieren? Denn was heißt
                es anders, als es diesem eigenen Gebrauche und vielleicht dem der

                Menschen überhaupt entziehen, wenn sie das Geld unter der Erde
                verbergen? Und dennoch freust du dich ungemein, wenn du nur deinen
                Schatz verborgen hast, als ob er dir jetzt keinerlei Sorgen mehr machte!
                     Wenn nun diesen Schatz Einer gestohlen hätte, und du müßtest nichts
                von diesem Diebstahl und stürbest zehn Jahre später, nachdem dir das
                Geld gestohlen worden, so frage ich, was es dir für einen Unterschied

                ausmacht, ob dir das Geld gestohlen worden, oder ob es während dieser
                Zeit in Sicherheit gewesen sei? In beiden Fällen ist der Nutzen des
                Schatzes für dich derselbe.
                     Zu diesen so läppischen Ergötzungen rechnen die Utopier auch die
                Beschäftigungen der Würfelspieler (deren Thorheit sie nur vom
                Hörensagen, nicht aus der selbsterlebten Praxis kennen), außerdem der
                Jäger und Vogelsteller.

                     Denn was für ein Vergnügen (so sagen sie) soll dabei sein, die
                Würfel aus ein Brett zu werfen, was so oft wiederholt wird, daß, wenn ja
                ein gewisses Vergnügen damit verbunden wäre, aus dieser zahllosen
                Wiederholung vielmehr Ueberdruß entstehen müßte?





                                                          617
   613   614   615   616   617   618   619   620   621   622   623