Page 619 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Und was hat es Liebliches und erweckt nicht vielmehr Widerwillen
und Mißfallen, die Hunde bellen und heulen zu hören? Oder ist die
Empfindung ergötzlicher, die man hat, wenn ein Hund einen Hasen, als
wenn ein Hund einen Hund verfolgt? Um eine und dieselbe Sache
handelt sich's nämlich in beiden Fällen; denn wenn das Nennen das
Vergnügen bildet – – gerannt wird auf die eine und auf die andere Weise.
Und wenn dich die Erwartung auf das Zerreißen der Thiere vor
deinen Augen fesselt, so sollte ja eher Mitleid dein Herz bewegen, ein
Häslein von einem Hunde, das Schwache Thier von dem stärkeren, das
furchtsame und die Flucht ergreifende von dem wilden, das harmlose
endlich von dem grausamen zerrissen zu sehen.
Deswegen haben die Utopier die gesammte Ausübung der Jagd, als
eine freier Männer unwürdige Sache, auf die Metzger beschränkt
(welchem Gewerbe, wie bereits oben gesagt, sie sich Sklaven
unterziehen lassen), denn sie halten die Jagd für die niedrigste Thätigkeit
des Schlächterhandwerks, dessen übrige Verrichtungen sie für nützlicher
und anständiger halten, weil sie die Thiere aus
Nothwendigkeitsrücksichten vom Leben zum Tode bringen, während
dem Jäger Mord und Niedermetzelung der armen Thiere rein nur zum
Vergnügen dienen soll. Dieses lechzende Verlangen nach Blut und Mord
wohne entweder von Natur den wilden Thieren ein, oder entspringe in
grausamen menschlichen Seelen, oder arte zuletzt, durch beharrliche
Ausübung eines so blutigen Vergnügens, in Grausamkeit aus.
Dieses und dergleichen (denn es gibt unzählige Vergnügungen
ähnlicher Art), obwohl sie das genuine Volk für wirkliche Vergnügen der
Menschen hält, erklären die Utopier rundweg, habe mit dem wahren,
echten Vergnügen nichts gemein, da alledem nichts natürlich
Angenehmes innewohnt.
Denn, wenn solche falsche Vergnügungen auch die Sinne mit
angenehmen Empfindungen erfüllen (was die Wirkung des Vergnügens
zu sein scheint), so gehen sie deswegen doch keineswegs von ihrer
Meinung ab, weil nicht die Natur der betreffenden den Sache, sondern
nur die verkehrte Gewohnheit der Menschen die Ursache davon ist, das
sie unangenehme Dinge für angenehme hinnehmen.
Nichts Anderes ist es wenn schwangeren Frauen ihrem verdorbenen,
krankhaften Geschmacke zufolge Pech und Talg lieblicher und süßer als
Honig dünken. Aber deswegen wird doch das entweder durch Krankheit
oder Gewohnheit verderbte Urtheil die Natur nicht ändern, weder die
Natur des Vergnügens, noch die anderer Dinge.
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