Page 690 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Erstes Buch
Inhaltsverzeichnis
Innere Politik
Das Auffinden neuer Einrichtungen und Staatsordnungen war bei der
neidischen Menschennatur stets ebenso gefährlich wie das Entdecken
unbekannter Meere und Länder, denn die Menschen neigen mehr zum
Tadeln als zum Loben. Da es mir aber angeboren ist, stets ohne
Rücksicht alles zu tun, was nach meiner Ansicht dem Gemeinwohl nutzt,
habe ich einen Weg einzuschlagen beschlossen, der noch unbegangen ist
und der mir gewiß Mühe und Beschwerden kosten wird, aber auch Lohn
eintragen kann, falls man meine Bestrebungen mit Nachsicht beurteilt.
Sollte dies Unterfangen durch die Armut des Geistes, die geringe
Erfahrung in der Gegenwart, die schwache Kenntnis der Vergangenheit
auch mangelhaft und wenig nutzbringend sein, so bahne ich damit doch
einem andern den Weg, der mit mehr Talent, Beredsamkeit und
Scharfsinn meine Absicht verwirklichen kann. Dies sollte mir, wo keinen
Lohn, so doch auch keinen Tadel eintragen. Dieser erste Absatz fehlt in
einigen älteren Ausgaben einschließlich der »Testina« (1550).
Ich sehe, wieviel Ehre man dem Altertum erweist, wie oft man, um
nur dies Beispiel zu erwähnen, das Bruchstück einer alten Bildsäule zu
hohem Preise kauft, um es zu besitzen, wie man sein Haus damit
schmückt, es von den Künstlern nachahmen läßt, und wie diese dann
eifrig bestrebt sind, es in allen ihren Werken anzubringen. Andrerseits
sehe ich die kraftvollsten Unternehmungen der Geschichte, die Taten der
alten Reiche und Republiken, der Könige, Feldherren, Bürger,
Gesetzgeber und aller, die für ihr Vaterland gearbeitet haben, viel mehr
bewundert als nachgeahmt. Ja man weicht überall derart von ihnen ab,
daß uns von jener alten Tugend kein Hauch mehr geblieben ist. So muß
ich mich denn zugleich wundern und betrüben, zumal ich sehe, wie man
im bürgerlichen Rechtsstreit und bei Krankheiten immerfort auf die
Urteile oder Heilmittel zurückgreift, die von den Alten gefällt oder
verordnet wurden. Denn was sind die bürgerlichen Gesetze anderes als
Urteilssprüche der alten Rechtsgelehrten, die, in ein System gebracht,
das Muster unsrer jetzigen Rechtsprechung bilden? Ebenso ist die
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