Page 694 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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aber nur durch Macht sichern können, so muß man durchaus die
unfruchtbaren Gegenden meiden und sich an den fruchtbarsten Orten
niederlassen, wo man sich dank der Ergiebigkeit des Bodens ausbreiten
und nicht nur jeden Angreifer abwehren, sondern auch jeden
niederwerfen kann, der der eignen Ausbreitung entgegentritt. Was aber
den Müßiggang betrifft, zu dem eine günstige Lage verleiten kann, so
müssen die Einwohner durch Gesetze zu den Pflichten gezwungen
werden, zu denen sie die Lage nicht zwingt. Hier muß man die weisen
Gesetzgeber nachahmen, die in den lieblichsten und fruchtbarsten
Ländern gewohnt haben, wo die Menschen leicht träge und zu jeder
männlichen Anstrengung untauglich werden: um der Gefahr des
Müßigganges infolge des milden Himmelsstrichs vorzubeugen, nötigten
sie die zum Kriegsdienst bestimmten Männer zu soldatischen Übungen.
So sind hier bessere Soldaten entstanden als in von Natur rauhen und
unfruchtbaren Ländern. Zum Beispiel hat Ägypten, obwohl von der
Natur gesegnet, durch diesen Zwang der Gesetze die tüchtigsten Männer
hervorgebracht. Wären ihre Namen nicht durch ihr hohes Alter
verschollen, so würde man sehen, daß sie mehr Ruhm verdienten als
Alexander der Große und viele andre, die noch in frischem Andenken
stehen. Auch zeigt das Reich des Sultans 1299 legte sich der türkische
Herrscher Osman den Titel Sultan bei. Das Reich dehnte sich nach und
nach über den Balkan und Kleinasien aus. Selim I. (1512 – 1521)
unterwarf ganz Vorderasien und Ägypten. Unter seinem Nachfolger
Soliman II. (1521-66) erreichte die türkische Macht ihren Höhepunkt.
sowie die Staatsordnung und das Heerwesen der Mamelucken, Die
Herrschaft der Mamelucken in Ägypten wurde 1517 durch den
türkischen Sultan Selim I. gestürzt. bevor sie von dem Großtürken Selim
zerstört wurden, welch hohen Wert man dort auf kriegerische Übungen
legte und wie sehr man sich vor dem Müßiggang scheute, zu dem die
milde Natur des Landes verleiten konnte, wäre ihm nicht durch die
strengsten Gesetze vorgebeugt worden.
Ich sage also, daß es klüger ist, sich in einer fruchtbaren Gegend
niederzulassen, wenn die Wirkung der Fruchtbarkeit durch Gesetze in
gebührenden Schranken gehalten wird. Als Alexander der Große zu
seinem Ruhm eine Stadt erbauen wollte, kam zu ihm der Baumeister
Deinokrates und riet ihm, sie auf dem Berg Athos anzulegen, da dieser,
abgesehen von seiner festen Lage, sich derart bearbeiten lasse, daß er
menschliche Gestalt bekäme. Das wäre etwas Wunderbares und Seltenes
und seiner Größe würdig. Auf Alexanders Frage, wovon die Einwohner
denn leben sollten, antwortete er, daran hätte er nicht gedacht. Alexander
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