Page 696 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Zweites Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Über die verschiedenen Staatsformen und die des römischen Staates
Ich sehe von den Staaten ab, die ursprünglich in Abhängigkeit standen,
und rede nur von denen, die von Anfang an frei von jedem fremden Joch
waren und sich nach eigenem Gutdünken als Republiken oder
Monarchien regierten. So verschieden ihr Ursprung war, so verschieden
waren auch ihre Gesetze und Einrichtungen. Einige erhielten ihre
Gesetze bei ihrer Gründung oder nicht lange nachher von einem einzigen
und auf einmal, wie Sparta von Lykurg. Andre empfingen sie bei
Gelegenheit und nach und nach, je nach den Ereignissen, wie Rom.
Glücklich der Staat, der einen Weisen hervorbringt, der ihm bleibende
Gesetze gibt, unter denen er lange Zeit sicher leben kann! Über
achthundert Jahre hat Sparta die Gesetze Lykurgs befolgt, ohne sie
anzutasten und ohne daß eine gefährliche Umwälzung stattfand. Weit
schlechter daran ist ein Staat, dem kein weiser Gesetzgeber beschieden
ward, und der sich selbst eine neue Ordnung geben muß. Am
unglücklichsten aber ist der Staat, wo am wenigsten Ordnung herrscht,
und das ist der Fall, wenn seine Einrichtungen ganz vom geraden Wege
abweichen, der ihn zum wahren Ziel der Vollkommenheit führen kann.
Denn befindet er sich auf dieser Bahn, so ist es fast unmöglich, daß er
durch irgendein Ereignis wieder ins Geleise kommt. Ist die Einrichtung
der andern auch nicht vollkommen, so haben sie doch einen guten
Anfang gemacht, der einen Fortschritt erlaubt, ja sie können durch
günstige Umstände zur Vollkommenheit gelangen, allerdings nicht ohne
Gefahren. Denn die Mehrzahl der Menschen stimmt einem neuen
Gesetz, das eine Neuordnung im Staatswesen bezweckt, nur dann zu,
wenn sie dessen Notwendigkeit einsehen, und da diese Notwendigkeit
nur bei Gefahr eintreten kann, so geht der Staat leicht zugrunde, bevor er
seine Vollkommenheit erlangt. Einen schlagenden Beweis dafür bietet
die Republik Florenz. Sie wurde durch die Vorfälle in Arezzo im Jahre
1502 neu befestigt und durch die Ereignisse in Prato im Jahre 1512
umgestürzt. S. Lebenslauf, 1502. Die Vorgänge in Arezzo bewirkten in
Florenz eine Verbesserung der Verfassung und die Wahl eines
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