Page 698 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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leitet er sich schon aus dem persönlichen Nutzen und Schaden ab, aus
dem das Gesetz entsteht. Infolgedessen sah man fortan bei der Wahl
eines Oberhauptes nicht mehr auf den Tapfersten, sondern auf den
Klügsten und Gerechtesten. Als man aber später den Fürsten durch
Erbfolge und nicht durch Wahl bestimmte, begannen die Erben sofort
auszuarten, vergaßen die Tugend ihrer Vorfahren und wähnten, die
Fürsten hätten nichts weiter zu tun, als die andern in Pracht, Schwelgerei
und jeder Art von Üppigkeit zu übertreffen. So wurde der Fürst verhaßt
und begann sich wegen dieses Hasses zu fürchten. Von der Furcht ging
er bald zu Gewalttaten über, und so entstand bald Tyrannei. Vgl. Herodot
III, 82.
Das war der Anfang der Umstürze, der Meutereien und
Verschwörungen gegen die Fürsten. Deren Anstifter aber waren nicht die
Furchtsamen und Schwachen, sondern die Edelmütigsten,
Hochherzigsten, Reichsten und Vornehmsten, die das schimpfliche
Leben des Fürsten nicht ertragen wollten. Die Menge folgte dem
Ansehen dieser Mächtigen, erhob die Waffen gegen den Fürsten, vertrieb
ihn und gehorchte ihren Befreiern. Da diesen der Fürstenname verhaßt
war, bildeten sie aus ihrer Mitte eine Regierung und hielten sich, der
früheren Tyrannei eingedenk, anfangs im Rahmen der von ihnen
gegebenen Gesetze, ordneten ihren eignen Vorteil dem Gemeinwohl
unter und verwalteten und erhielten die öffentlichen und
Privatangelegenheiten mit größter Sorgfalt. Dann aber ging die
Regierung auf ihre Söhne über, die den Wechsel des Glücks nicht
kannten und nie das Unglück erfahren hatten. Sie wollten sich mit der
bürgerlichen Gleichheit nicht begnügen, sondern ergaben sich der
Habsucht, dem Ehrgeiz, den Gelüsten nach Frauen und machten die
Herrschaft der Vornehmen zur Herrschaft Weniger, ohne irgendwelche
Rücksicht auf die bürgerlichen Rechte. So erging es ihnen in kurzem wie
dem Tyrannen. Die Menge ward ihrer Herrschaft überdrüssig und schloß
sich jedem an, der Miene machte, die Herrschenden zu stürzen; und so
erhob sich bald einer, der sie mit Hilfe der Menge vertrieb.
Nun war die Erinnerung an den Fürsten und an seine Bedrückung
noch frisch; man hatte die Herrschaft der Wenigen gestürzt und wollte
die des Fürsten nicht wieder aufrichten: so ging man zur Volksherrschaft
über, in der weder einige Machthaber noch ein Fürst irgendwelche
Gewalt erhielten. Da nun jede Regierungsform zu Anfang einige
Ehrfurcht einflößt, erhielt sich die Volksherrschaft eine Weile, aber meist
nicht lange, besonders wenn das Geschlecht, das sie eingeführt hatte,
ausgestorben war. Bald kam es zur Zügellosigkeit, die weder vor Privat-
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