Page 711 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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zweitens aus Furcht, von ihm unterjocht zu werden. Diese zwei Gründe
werden durch die obigen Maßregeln fast gänzlich beseitigt. Denn da die
guten Verteidigungseinrichtungen, die ich voraussetze, die Eroberung
dieser Republik schwer machen, so wird selten oder nie einer den Plan
fassen, sie zu erobern. Bleibt sie ferner innerhalb ihrer Grenzen und zeigt
die Erfahrung, daß sie nicht ehrgeizig ist, so wird ihr niemand aus Furcht
den Krieg erklären, besonders wenn ihre Einrichtungen und Gesetze die
Vergrößerung verbieten. Ließen sich die Dinge derart im Gleichgewicht
halten, so glaube ich bestimmt, daß dies der rechte politische Zustand
und die wahre Ruhe für eine Stadt wäre.
Da aber alle menschlichen Dinge im Fluß sind und nicht feststehen
können, so müssen sie steigen oder fallen, und zu vielem, wozu die
Vernunft nicht rät, zwingt die Notwendigkeit. Ist also eine Republik so
eingerichtet, daß sie sich ohne Vergrößerung behaupten kann, und die
Notwendigkeit führt sie zur Vergrößerung, so werden ihr die Grundlagen
entzogen, und sie stürzt schnell zusammen. Wäre ihr andererseits der
Himmel so gnädig, daß sie keine Kriege zu führen brauchte, so wäre die
Folge, daß sie durch Müßiggang verweichlicht oder daß Zwistigkeiten in
ihr entstehen, und beides zusammen oder jedes für sich würde ihr den
Untergang bereiten. Da man also nach meiner Meinung das
Gleichgewicht nicht erhalten noch den Mittelweg genau einhalten kann,
so muß man bei der Einrichtung einer Republik auf das bedacht sein,
was am rühmlichsten ist, und sie derart einrichten, daß sie, wenn die
Notwendigkeit sie zur Vergrößerung zwingt, das Errungene zu behaupten
vermag. Ich komme also auf meine erste Erörterung zurück und halte es
für nötig, die Einrichtungen Roms nachzuahmen und nicht die der
anderen Republiken, denn ein Mittelding zwischen beiden läßt sich nicht
finden. So muß man denn die Zwistigkeiten, die zwischen Senat und
Volk entstehen können, als ein notwendiges Übel hinnehmen, ohne das
Rom nicht zu seiner Größe gelangt wäre. Denn außer dem oben
nachgewiesenen Umstand, daß die Macht der Volkstribunen zum
Schutze der Freiheit notwendig war, fällt auch der Vorteil ins Auge, den
das Amt eines Anklägers in einer Republik hat. Auch dies war den
Volkstribunen übertragen, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird.
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