Page 713 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Weise gerichtet, so entsteht, auch wenn ihm dabei Unrecht geschieht,
wenig oder gar keine Unordnung im Staat. Denn die Vollstreckung
geschieht nicht durch Gewalttat eines einzelnen noch mit Hilfe einer
fremden Macht, die die Freiheit zugrunde richtet, sondern durch die
öffentliche Gewalt und durch Einrichtungen, die ihre bestimmten
Grenzen haben und die nie zu etwas Staatsgefährlichem ausarten können.
Zur Bestätigung meiner Ansicht durch Beispiele mag aus der alten
Geschichte das des Coriolan genügen. Es fällt in die Augen, wieviel
Unheil in der römischen Republik entstanden wäre, wenn er in jenem
Auflauf getötet worden wäre. Es wären dadurch Angriffe einzelner auf
einzelne entsprungen; solche Angriffe erzeugen Furcht, die Furcht aber
sucht Schutz; zum Schutz wirbt man Anhänger, durch diese entstehen
Parteiungen, und die Parteiungen führen zum Untergang des Staates. Da
aber die Sache durch die gesetzmäßige Gewalt abgetan wurde, so
wurden alle Übel vermieden, die bei ihrem Austrag durch Privatleute
entstehen konnten.
In unsrer Zeit haben wir gesehen, zu welchen Umwälzungen es in der
Republik Florenz führte, als die Menge ihren Groll gegen einen ihrer
Mitbürger nicht auf gesetzliche Weise entladen konnte. Francesco Valori,
Florenz als Freistaat s. Lebenslauf, 1494. Savonarolas mächtigster
Parteigänger, Francesco Valori, wurde 1497 Gonfalonier von Florenz
und setzte mehrere Bluturteile gegen Anhänger der Medici durch. Als
Savonarola dann von Papst Alexander VI. exkommuniziert war, erhoben
seine Feinde und die Anhänger der Medici wieder das Haupt; Valori
wurde von Anhängern der Hingerichteten ermordet und Savonarola
verbrannt. gleichsam Fürst der Stadt, wurde von vielen für einen
ehrgeizigen Mann gehalten, der in seiner Kühnheit und Verwegenheit
nach der Oberherrschaft zu streben schien. Da es aber in der Republik
kein Mittel gab, ihm Widerstand zu leisten, außer durch eine
Gegenpartei, so fürchtete auch er nichts als ungesetzliche Mittel und
begann, sich zu seinem Schutze zahlreiche Anhänger zu werben. Aber
auch seine Gegner griffen aus Mangel an gesetzlichen Mitteln, ihn
niederzuhalten, zu ungesetzlichen, und so kam es zum Austrag mit den
Waffen. Hätte man ihm in gesetzlicher Weise entgegentreten können, so
wäre seine Macht nur zu seinem eignen Schaden gebrochen worden. Da
man ihn aber mit ungesetzlichen Mitteln stürzen mußte, so mußten außer
ihm noch viele vornehme Bürger darunter leiden.
Zur Bestätigung dieser Behauptung ließe sich auch noch der Vorfall
mit Piero Soderini in Florenz anführen. S. Lebenslauf, 1502. Soderinis
Stellung gegenüber den Anhängern der Medici s. Buch III, Kap. 3. Seine
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