Page 765 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Dreißigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Wie ein Fürst oder eine Republik das Laster der Undankbarkeit
vermeiden kann, und was ein Feldherr oder Bürger tun muß, um
nicht darunter zu leiden.
Um kein Mißtrauen zu hegen und nicht undankbar sein zu müssen, soll
ein Fürst seine Feldzüge selbst leiten, wie es die ersten römischen Kaiser
taten, wie es heutzutage der Türke S. Kap. 1, Anm. 4. tut, und wie es alle
tapferen Herrscher getan haben und noch tun. Siegt er, so ist der Ruhm
und die Eroberung sein eigen; ist er aber nicht dabei, und gehört der
Ruhm einem andern, so glaubt er sich der Eroberung nicht erfreuen zu
können, wenn er nicht den Ruhm jenes andern verdunkelt, den er selbst
nicht zu erringen vermochte. So wird er undankbar und ungerecht,
wodurch er zweifellos mehr verliert als gewinnt. Bleibt er trotzdem aus
Trägheit oder Mangel an Einsicht zu Hause und schickt einen Feldherrn,
so weiß ich für ihn keinen andern Rat, als den er von selbst findet.
Dem Feldherrn jedoch, der dem Bissen des Undanks nicht entgehen
zu können glaubt, rate ich eins von beiden zu tun: entweder gleich nach
dem Siege das Heer zu verlassen und sich unter Vermeidung jeder
übermütigen oder ehrgeizigen Handlung in die Hände seines Fürsten zu
begeben, damit dieser, jedes Argwohns beraubt, ihn entweder belohnt
oder doch nicht kränkt. Scheint ihm das aber untunlich, so muß er dreist
das Gegenteil tun und mit allen ihm geeignet scheinenden Mitteln dahin
wirken, daß die Eroberung als seine eigne und nicht als die seines
Fürsten erscheint. Er mache sich die Soldaten und die Untertanen
geneigt, schließe neue Bündnisse mit den Nachbarn, besetze die
Festungen mit seinen Leuten, besteche die Häupter seines Heeres,
versichere sich derer, die er nicht bestechen kann, und suche auf diese
Weise seinen Herrn für den Undank zu strafen, den dieser ihm bezeigen
würde. Andre Wege gibt es nicht. Aber, wie schon gesagt, die Menschen
verstehen weder ganz böse noch ganz gut zu sein. Immer kommt es so,
daß die Feldherren das Heer gleich nach dem Sieg nicht verlassen
wollen; sich bescheiden zu benehmen, vermögen sie auch nicht, und zu
gewaltsamen Mitteln, die etwas Ehrenvolles in sich schließen, verstehen
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