Page 768 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 768
halben Heeres mit ansehen, als ihm Hilfe zu bringen. Ein wahrhaft
klassischer Fall von Niedertracht, aus dem man keinen guten Schluß auf
die römische Republik ziehen könnte, wenn sie nicht beide bestraft hätte.
Während aber eine andere Republik sie mit dem Tode bestraft hätte,
verurteilte Rom sie zu Geldbußen, nicht, weil ihr Vergehen keine härtere
Strafe verdient hätte, sondern weil die Römer auch in diesem Fall bei
ihrem alten Brauch bleiben wollten.
Für die Fehler aus Ungeschicklichkeit gibt es kein schöneres Beispiel
als das des Terentius Varro. Durch seine Unbesonnenheit waren die
Römer bei Cannae so vernichtend geschlagen worden, daß die Freiheit
des Staates auf dem Spiele stand. Da aber nur Unwissenheit und kein
böser Wille vorlag, wurde er nicht etwa bestraft, sondern geehrt. Bei
seiner Rückkehr nach Rom zog ihm der ganze Senat entgegen, und da er
ihm nicht für die Schlacht danken konnte, dankte er ihm dafür, daß er
nach Rom zurückgekehrt war und nicht am Vaterlande verzweifelte. Vgl.
Livius XXII, 61.
Als Papirius Cursor seinen Reiterobersten Fabius Quintus Fabius
Rullianus. Vgl. Livius VIII, 31 ff. hinrichten lassen wollte, weil er sich
gegen seinen Befehl mit den Samnitern in einen Kampf eingelassen
hatte, bekämpfte der Vater des Fabius die Härte des Diktators unter
anderm auch mit dem Grunde, daß das römische Volk bei keiner
Niederlage mit seinen Heerführern jemals so verfahren sei, wie Papirius
im Siege verfahren wollte.
767