Page 771 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ausgeführt werden. Denn erhebt sich in einer Republik ein vornehmer
Jüngling mit hervorragenden Eigenschaften, so wenden die Bürger ihre
Augen auf ihn und wetteifern unbedenklich darin, ihm Ehre zu erweisen.
Ist also ein Funke von Ehrgeiz in ihm, so gelangt er durch das
Zusammentreffen seiner natürlichen Vorzüge und dieses Umstandes bald
so weit, daß den Bürgern, wenn sie ihren Fehler einsehen, wenig Mittel
bleiben, ihm entgegenzutreten, ja er gelangt durch die Anwendung
solcher Mittel um so schneller zur Macht. Dafür ließen sich viele
Beispiele anführen, ich will aber nur eines aus unserer Stadt geben.
Cosimo de' Medici, Cosimo de' Medici, genannt Pater Patriae (1389–
1464). der die Größe des Hauses Medici in unsrer Stadt begründete, kam
durch die Gunst, die ihm seine Klugheit und die Unwissenheit der
übrigen Bürger erwarb, zu solchem Ansehen, daß er dem Staat Furcht
einzuflößen begann. Die andern Bürger hielten es für gefährlich, gegen
ihn vorzugehen, und für noch gefährlicher, ihn in seiner Stellung zu
belassen. Aber Niccolo da Uzzano, Einer der Häupter der Adelspartei,
bekannt durch die Büste von Donatello im Bargello zu Florenz († 1432).
der damals für einen äußerst erfahrenen Staatsmann galt und der schon
den Fehler begangen hatte, die Gefahren zu verkennen, die aus dem
Ansehen des Cosimo entstehen konnten, duldete, so lange er lebte, nicht,
daß man den zweiten Fehler beging und Cosimo zu stürzen versuchte. Er
meinte, daß dieser Versuch den völligen Untergang des Staates zur Folge
haben werde, wie es nach seinem Tode ja auch eintraf. Denn die übrigen
Bürger setzten sich über seinen Rat hinweg, verbanden sich gegen
Cosimo und vertrieben ihn aus Florenz. Die Folge war, daß seine Partei,
durch diese Unbill erbittert, ihn bald zurückrief Er wurde 1433
vertrieben und 1434 zurückgerufen. und ihn zum Fürsten der Republik
machte, wozu er ohne offenen Widerstand nie gelangt wäre.
Ebenso erging es Rom mit Cäsar, der wegen seiner Verdienste von
Pompejus und andern begünstigt wurde. Kurz darauf verwandelte sich
diese Gunst in Furcht, was Cicero mit den Worten bezeugt, Pompejus
habe zu spät angefangen, den Cäsar zu fürchten. Die Furcht bewirkte,
daß sie auf Abhilfe sannen, und die Mittel, die sie anwandten,
beschleunigten den Sturz der Republik.
Da es also schwer ist, diese Übel bei ihrem Entstehen zu erkennen,
weil die Dinge im Anfang täuschen, so ist es klüger, wenn man sie
erkannt hat, abzuwarten, als sie zu bekämpfen. Wartet man aber, so
verschwinden sie entweder von selbst, oder sie werden doch wenigstens
hinausgeschoben. Jedenfalls muß ein Fürst, der sie beseitigen oder ihrer
Macht und Gewalt Einhalt tun will, ein Auge darauf haben, daß er sie
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