Page 794 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 794
Einundvierzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Der Übergang von Hochmut zu Herablassung, von Grausamkeit zu
Milde ohne die gehörigen Mittelstufen ist unklug und nutzlos.
Unter den andern verkehrten Mitteln des Appius, die Alleinherrschaft zu
behaupten, war eins von nicht geringer Bedeutung, nämlich ein zu
schneller Übergang von einer Art des Benehmens zur andern. Seine
Schlauheit bei der Täuschung der Plebejer, als er den Volksfreund
spielte, war gut, gut waren auch die Mittel zur Wiederwahl der
Dezemvirn und die Kühnheit, sich selbst wider Erwarten des Adels zu
wählen, gut war endlich, sich Amtsgenossen auszusuchen, wie er sie
brauchte. Aber nicht mehr gut war es, daß er nach alledem mit einem
Schlage seine Natur änderte und vom Freund des Volkes zu seinem
Feinde wurde, sich statt leutselig übermütig, statt nachgiebig
unfreundlich zeigte und dies so schnell tat, daß jeder die Falschheit
seines Charakters erkennen mußte, ohne eine Entschuldigung für ihn zu
finden. Denn wer eine Zeitlang gut schien und zu seinen Zwecken böse
werden muß, der muß es mit den gehörigen Zwischenstufen tun und die
Gelegenheiten so wahrnehmen, daß ihm sein verändertes Benehmen, ehe
es ihm die alte Gunst entzieht, so viel neue erworben hat, daß sein
Ansehen nicht verliert; sonst geht er, durchschaut und ohne Freunde,
zugrunde.
793