Page 842 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Zweites Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Mit was für Völkern die Römer zu kämpfen hatten, und wie
hartnäckig diese ihre Freiheit verteidigten.
Nichts erschwerte den Römern die Überwindung der Nachbarvölker und
teils auch der entfernten Länder mehr als die Freiheitsliebe, die damals
viele Völker besaßen, und die Hartnäckigkeit, mit der sie ihre Freiheit
verteidigten. Nur durch außerordentliche Tapferkeit konnten sie
unterjocht werden. Denn aus vielen Beispielen ersieht man, welchen
Gefahren sie sich zur Behauptung oder Wiedererlangung ihrer Freiheit
aussetzten, und wie grausam sie sich an denen rächten, die sie ihnen
geraubt hatten. Auch lernt man aus der Geschichte, welchen Schaden
Völker und Städte durch die Knechtschaft erleiden. Zu unsrer Zeit gibt es
nur ein Land, von dem man sagen kann, daß es freie Städte hat;
Deutschland. Vgl. Buch II, Kap. 19. zu alter Zeit aber gab es in allen
Ländern sehr viel freie Völker. In der Zeit, von der wir jetzt reden, gab es
von den Apenninen, die Toskana von der Lombardei trennen, bis zur
äußersten Spitze Italiens viele freie Völker, wie die Etrusker, die Römer,
die Samniter und viele andre. Von keinem hört man, daß es Könige hatte,
außer Rom und bei den Etruskern Porsenna, von dem die Geschichte
nicht sagt, wie sein Stamm erlosch. Man sieht jedoch deutlich, daß
Etrurien zu der Zeit, als die Römer Veji belagerten, frei war. Ja, es liebte
seine Freiheit so sehr und haßte den Fürstennamen derart, daß es nach
vielen Beratungen beschloß, die von Veji erbetene Hilfe abzuschlagen,
solange die Vejenter, die zu ihrer Verteidigung einen König eingesetzt
hatten, unter diesem König blieben. Denn die Etrusker hielten es für
unbillig, das Vaterland derer zu verteidigen, die sich schon selbst einem
andern unterworfen hatten.
Die Ursache dieser Freiheitsliebe der Völker ist leicht einzusehen.
Die Erfahrung zeigt, daß die Staaten nie größer und reicher wurden,
außer wenn sie frei waren. Es ist in der Tat wunderbar, zu welcher Größe
Athen sich in den 100 Jahren emporschwang, als es sich vom Joch des
Pisistratos befreit hatte. Eigentlich seiner Söhne Hipparch (514 v. Chr.
ermordet) und Hippias (510 vertrieben). Das Allerwunderbarste aber ist
der Aufstieg Roms, nachdem es seine Könige verjagt hatte. Die Ursache
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