Page 840 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Mittel getäuscht, mit denen es sie einzuschläfern sucht. Die andern,
                entlegneren Mächte, die nicht in Verkehr mit ihm stehen, betrachten
                diese Dinge als etwas Fernliegendes, das sie nichts angeht. In diesem

                Irrtum verharren sie so lange, bis der Brand näher kommt, und dann
                haben sie kein andres Löschmittel als ihre eigne Kraft, die nicht mehr
                hinreicht, da der Feind bereits zu mächtig geworden ist. Ich will nicht
                dabei verweilen, wie die Samniter der Niederwerfung der Volsker und
                Äquer durch das römische Volk ruhig zusahen, und um nicht
                weitschweifig zu werden, nur Karthago anführen. Zur Zeit der Kriege
                der Römer mit den Samnitern und Etruskern waren die Karthager sehr

                mächtig und standen in hohem Ansehen. Sie besaßen ganz Afrika,
                Sardinien und Sizilien und einen Teil von Spanien. Infolge dieser Macht
                und ihrer Entfernung von den römischen Grenzen dachten sie nie daran,
                Rom anzugreifen, noch den Samnitern oder Etruskern beizustehen.
                Vielmehr betrugen sie sich gegen Rom, wie man sich stets gegen
                aufstrebende Mächte beträgt: sie verbanden sich mit ihm zu seinem

                Vorteil und suchten seine Freundschaft. Und sie erkannten ihren
                begangenen Fehler erst, als die Römer alle zwischen Rom und Karthago
                wohnenden Völker unterworfen hatten und mit ihnen um die Herrschaft
                Siziliens und Spaniens zu kämpfen begannen. Ebenso wie den
                Karthagern erging es den Galliern, ebenso dem König Philipp von
                Mazedonien Philipp III. von Mazedonien (220-197 v. Chr.) schloß 215 v.
                Chr. infolge der Schlacht bei Cannae ein Bündnis mit Hannibal gegen

                Rom, unterstützte ihn aber nur lau und verlor 197 v. Chr. durch die
                Niederlage bei Kynoskephalae die Herrschaft. und dem Antiochos. Wenn
                das römische Volk mit einem andern zu tun hatte, glaubte jeder von
                ihnen, dieser andre werde es überwinden und es sei noch Zeit genug, sich
                durch Krieg oder Verträge vor ihm zu schützen. Ich glaube daher, daß
                jeder Fürst, der wie Rom verführe und die gleiche Tapferkeit besäße,

                auch das gleiche Glück haben würde.
                     Ich müßte bei dieser Gelegenheit auch zeigen, auf welche Weise die
                Römer in fremde Länder eindrangen, habe jedoch in meiner Abhandlung
                vom Fürsten »Der Fürst«, Kap. 3-7. schon ausführlich darüber
                gesprochen. Ich will nur kurz anführen, daß sie sich in den neuen
                Ländern stets einen Verbündeten zu gewinnen suchten, der ihnen
                behilflich war, in das Land einzudringen und es nachher zu behaupten.

                So drangen sie mit Hilfe der Capuaner in Samnium ein, mit Hilfe der
                Camertiner in Etrurien, der Mamertiner in Sizilien, der Sagunter in
                Spanien, des Masinissa in Afrika, der Ätolier in Griechenland, des
                Eumenes und andrer Fürsten in Asien, der Massilier und Äduer in





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