Page 851 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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angeführten Gründen nicht ausdehnen, und auch von Italien blieb ein
                Teil unberührt.
                     Die zweite Art ist die Erwerbung von Bundesgenossen, wobei jedoch

                die Oberherrschaft und der Sitz der Regierung der Hauptstadt verbleibt
                und alle Unternehmungen in ihrem Namen erfolgen. Das war die Art der
                Römer. Die dritte Art ist, sich unmittelbare Untertanen, nicht
                Bundesgenossen zu machen. Das taten Sparta und Athen.
                     Von diesen drei Arten ist die letzte ganz wertlos, wie man an den
                beiden letztgenannten Republiken sieht. Denn sie gingen allein dadurch
                zugrunde, daß sie ein Gebiet erobert hatten, das sie nicht behaupten

                konnten. Es ist eine schwierige und mühevolle Sache, Städte mit Gewalt
                zu regieren, zumal wenn sie an Freiheit gewöhnt waren. Ohne
                Kriegsmacht, eine starke Kriegsmacht, kann man sie weder beherrschen
                noch regieren. Dazu aber ist es nötig, sich Bundesgenossen zu schaffen,
                die zur Erhöhung der eignen Volkszahl beitragen. Da jedoch jene beiden
                Städte keins von beiden taten, so war ihr Verfahren wertlos.

                     Rom dagegen, das Muster für die zweite Art, tat beides, und darum
                stieg es zu seiner gewaltigen Macht empor. Und weil es die einzige Stadt
                war, die so verfuhr, wurde es auch allein so mächtig. Indem es sich
                zahlreiche Bundesgenossen in ganz Italien schuf, die in vielem unter
                gleichen Gesetzen mit ihm lebten, andrerseits aber sich stets den Sitz der
                Regierung und das Recht zu befehlen vorbehielt, so kamen seine
                Bundesgenossen allmählich dahin, daß sie sich mit ihrem Schweiß und

                Blut selbst unterjochten. Denn als die Römer anfingen, die Grenzen
                Italiens zu überschreiten, verwandelten sie die Königreiche in Provinzen
                und machten sich Völker untertan, die unter Königen zu leben gewohnt
                waren und sich aus dem Wechsel der Herrschaft nichts machten. Da sie
                nun römische Statthalter erhielten und von römischen Heeren
                überwunden waren, erkannten sie Rom als ihr Oberhaupt an. So sahen

                sich Roms Bundesgenossen in Italien auf einmal von römischen
                Untertanen umschlossen und von der gewaltigen Hauptstadt erdrückt,
                und als sie den Betrug merkten, der mit ihnen verübt war, war es zu spät,
                etwas dagegen zu tun. Soviel Macht hatte Rom durch die auswärtigen
                Provinzen gewonnen, und soviel Kraft besaß es in seinem Schoß, durch
                die sehr große Bevölkerung der Stadt und das starke Heer. Nun
                verschworen sich die Bundesgenossen zwar gegen Rom, um das erlittene

                Unrecht zu rächen, unterlagen aber bald im Kriege Im
                Bundesgenossenkrieg 91-88 v. Chr. und verschlimmerten ihre Lage nur,
                da sie aus Bundesgenossen zu Untertanen wurden. Diese Methode ist,
                wie gesagt, von den Römern allein befolgt worden, und jede Republik,





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