Page 855 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 855
glaubt nicht daran. So geht es mit der Geschichte Diodors von Sizilien,
die von 40 bis 50 000 Jahren berichtet, was aber, wie ich glaube, mit
Recht für lügenhaft gehalten wird.
Die Ursachen, die vom Himmel herrühren, sind Naturereignisse, die
das Menschengeschlecht vertilgen und von den Bewohnern eines
Weltteils nur wenige übriglassen. Und zwar geschieht das durch Pest,
Hungersnot oder Überschwemmungen. Die letzteren sind die
wichtigsten, weil sie am ausgedehntesten sind, und auch weil die
Davonkommenden lauter Bergbewohner und rohe Leute sind, die selbst
nichts vom Altertum wissen und daher auch ihren Nachkommen nichts
davon hinterlassen können. Nach Polybios, VI, 5, <sub>5</sub> f. Ist
unter den Entkommenen auch einer, der Kenntnis davon hatte, so hält er
sie doch geheim, um sich Ansehen und Ruf zu verschaffen, und verdreht
sie nach Gutdünken, so daß die Nachkommen weiter nichts erfahren, als
was er aufzuschreiben für gut hält.
Daß aber solche Überschwemmungen, Pest und Hungersnot
vorkommen, scheint mir nicht zweifelhaft, weil alle Geschichtsbücher
voll davon sind, ferner, weil man die Wirkung davon im Vergessen aller
Dinge sieht, und schließlich, weil die Sache begründet erscheint. Wie die
Natur bei einfachen Körpern, wenn sich viele überflüssige Stoffe darin
angesammelt haben, sich oft von selbst rührt und eine dem Körper
heilsame Reinigung vornimmt, ebenso geschieht es auch bei dem
zusammengesetzten Körper der Menschheit. Wenn alle Länder derart
übervölkert sind, daß sie sich nicht mehr ernähren, noch sich durch
Auswanderung helfen können, weil alle Teile der Erde besetzt und voll
sind, und wenn die menschliche Tücke und Bosheit ihren Gipfel erreicht
hat, so muß die Welt sich notwendig auf eine der drei Arten reinigen,
damit die Menschen, zusammengeschmolzen und gezüchtigt, bequemer
leben und wieder besser werden. So war Etrurien, wie oben gesagt, einst
mächtig, voller Religion und Tapferkeit; es hatte seine eignen Sitten,
seine eigne Sprache. Alles aber ward von der römischen Macht so völlig
vernichtet, daß uns nur die Erinnerung an seinen Namen geblieben ist.
854