Page 856 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Sechstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Wie die Römer Krieg führten.
Wir haben erörtert, wie die Römer ihre Macht erweiterten; nun wollen
wir zeigen, wie sie Krieg führten. Hier, wie bei all ihrem Tun, wird man
sehen, mit welcher Klugheit sie vom allgemeinen Brauch abwichen, um
sich den Weg zum höchsten Gipfel der Größe zu bahnen.
Wer aus freien Stücken oder aus Ehrgeiz Krieg führt, will erobern
und das Eroberte behaupten und dabei so verfahren, daß sein Gebiet und
Vaterland dadurch reicher wird, nicht aber verarmt. Er muß also beim
Erobern wie beim Behaupten darauf bedacht sein, keine großen Kosten
zu verursachen, vielmehr alles zum Vorteil des Staates zu tun. Um das
alles zu erreichen, muß man die Methode der Römer befolgen, die vor
allem darin bestand, ihre Kriege nach dem Wort der Franzosen kurz und
derb zu führen. Da sie mit großen Heeren ins Feld rückten, waren alle
Kriege mit den Latinern, Samnitern und Etruskern in kürzester Zeit
beendigt. Geht man alle Kriege von der Gründung Roms bis zur
Belagerung von Veji 406-396 v. Chr. durch, so sieht man, daß sie in
sechs, zehn bis zwanzig Tagen beendigt waren. Sofort nach der
Kriegserklärung rückten sie mit ihren Heeren aus und lieferten sofort
eine Schlacht. Wurde sie gewonnen, so machten die Feinde
Friedensvorschläge, um ihr Land nicht ganz verwüsten zu lassen, und die
Römer verurteilten sie zur Abtretung von Land, das dann in
Privateigentum verwandelt oder einer Kolonie überwiesen wurde. An
den feindlichen Grenzen angelegt, wurden diese Kolonien zu
Grenzwachen für das römische Gebiet, und so hatten nicht nur die
Kolonisten, die dies Land bekamen, Vorteil davon, sondern auch der
Staat, der ohne Kosten eine Grenzwache erhielt. Diese Schutzwehr
konnte nicht sicherer, stärker und vorteilhafter sein. Denn solange die
Feinde nicht im Felde standen, war sie hinreichend, und sobald sie mit
starker Macht anrückten, um die Kolonie zu überwältigen, rückten auch
die Römer mit starker Macht aus, lieferten eine Schlacht, legten dem
Feinde nach dem Siege noch härtere Bedingungen auf und kehrten
wieder heim. So erlangten sie allmählich Ansehen über ihre Feinde und
eigne Macht.
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