Page 852 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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die groß werden will, darf keine andre befolgen, da uns die Erfahrung
keinen richtigeren oder gewisseren Weg zeigt.
Nächst der Methode der Römer ist die eines Bundes, wie bei den
Etruskern, Achäern, Ätoliern und jetzt bei den Schweizern die beste.
Denn daß man sich dabei nicht so weit ausdehnen kann, hat zweierlei
Gutes, Erstens wird man nicht so leicht in Kriege verwickelt, und
zweitens hält man das einmal Gewonnene mit Leichtigkeit fest. Eine
weite Ausdehnung ist nicht möglich, weil der Staat aus verschiedenen
Teilen besteht und die Regierung ihren Sitz an verschiedenen Orten hat,
was die Beratungen und Beschlüsse erschwert. Solche Staaten sind auch
nicht herrschsüchtig, denn da viele Gemeinden an der Herrschaft
teilnehmen, schätzen sie eine Eroberung nicht so hoch wie eine einzelne
Republik, die sie ganz zu genießen hofft. Außerdem regieren sie sich
durch eine Bundesversammlung und müssen daher langsamer in ihren
Beschlüssen sein als die, welche innerhalb derselben Ringmauer
wohnen. Die Erfahrung zeigt auch, daß ein solcher Städtebund seine
feste Grenze hat, von deren Überschreitung wir kein Beispiel haben.
Wenn nämlich zwölf bis vierzehn Gemeinden beisammen sind, bleiben
sie dabei stehen und suchen keine weitere Ausdehnung, da ihnen ihre
Anzahl zur Verteidigung gegen jeden genügend scheint. Sie begehren
also kein größeres Gebiet, weil die Notwendigkeit sie zu keiner
Machterweiterung zwingt, oder weil sie aus den obigen Gründen keinen
Vorteil in weiteren Eroberungen sehen. Sie müßten nämlich eins von
beiden tun: entweder ihren Bund erweitern, aber dann würde die Menge
der Bundesgenossen Verwirrung anrichten, oder sie müßten sich
Untertanen zulegen, und da sie hierin Schwierigkeiten und keinen großen
Vorteil sehen, so liegt ihnen nichts daran. Sind sie daher zahlreich genug,
daß sie sicher zu leben glauben, so tun sie zweierlei. Erstens nehmen sie
Schutzbefohlene an und beziehen dafür von allen Seiten Geld, das sie
leicht untereinander teilen können. Zweitens tun sie für andre
Kriegsdienste und nehmen Sold von diesem oder jenem Fürsten, der sie
für seine Unternehmungen bezahlt, wie jetzt die Schweizer und früher
die Obengenannten. Das letztere bezeugt Titus Livius, XXXII, 34 (197 v.
Chr.). Vgl. S. 139, Anm. 9, und S. 140, Anm. 11. der von einer
Unterredung des Königs Philipp von Mazedonien mit Titus Quinctius
Flamininus berichtet, wo im Beisein eines Prätors der Ätolier über einen
Vergleich verhandelt wurde. Als der Prätor mit Philipp in einen
Wortwechsel geriet, warf ihm dieser die Habsucht und Treulosigkeit der
Ätolier vor und sagte, sie schämten sich nicht, für zwei miteinander
kämpfende Mächte Kriegsdienste zu tun, so daß man oft in beiden
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