Page 854 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Fünftes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Der Wechsel der Religionen und Sprachen, im Verein mit
Überschwemmungen und Pest, löscht das Andenken der Vorzeit aus.
Den Philosophen, nach denen die Welt ewig ist, könnte man wohl
entgegenhalten, daß, wenn ein so hohes Alter zuträfe, wir
vernünftigerweise Nachrichten über 5000 Jahre hinaus haben müßten;
allein man sieht, daß das Andenken vergangener Zeiten aus
verschiedenen Ursachen erlischt. Sie rühren teils von den Menschen,
teils vom Himmel her.
Von den Menschen rührt der Wechsel der Religionen und Sprachen
her. Denn entsteht eine neue Sekte, d.h. eine neue Religion, so ist es ihr
erstes Bestreben, die alte auszurotten, um sich Ansehen zu verschaffen.
Trifft es sich, daß die Stifter der neuen Sekte eine andre Sprache
sprechen, so gelingt es ihnen leicht. Das sieht man daraus, wie die
christliche Religion mit der heidnischen verfuhr, wie sie alle ihre
Einrichtungen und Bräuche abschaffte und jede Erinnerung an die alte
Theologie auslöschte. Es gelang ihr allerdings nicht, jede Erinnerung an
die Großtaten ihrer ausgezeichneten Männer auszulöschen. Das kam aber
daher, daß sie die lateinische Sprache notgedrungen beibehielt, da sie das
neue Gesetz in ihr aufschreiben mußte. Hätte man es in einer neuen
Sprache schreiben können, so hätte die Verfolgungswut keine Nachricht
von der Vorzeit übriggelassen. Wenn man liest, wie der Heilige Gregor
Papst Gregor der Große (590-604). und die übrigen Häupter des
Christentums verfuhren, so wird man sehen, wie hartnäckig sie alle
Erinnerungen an das Altertum verfolgten, wie sie die Werke der Dichter
und Geschichtsschreiber verbrannten, die Bildwerke zerschlugen und
alles zerstörten, was Zeugnis vom Altertum gab. Wäre zu dieser
Verfolgung noch eine neue Sprache gekommen, so wäre in kürzester Zeit
alles in Vergessenheit geraten. Es ist daher anzunehmen, daß die
heidnische Religion gegen die, die ihr vorherging, genauso verfuhr, wie
das Christentum gegen das Heidentum zu verfahren bestrebt war. Da
aber die Religionen in 5 bis 6000 Jahren zwei- bis dreimal wechselten,
so ging die Erinnerung an das früher Geschehene verloren. Und wenn
doch eine Spur davon übrigbleibt, so betrachtet man sie als fabelhaft und
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