Page 88 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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aber diejenigen, welche büßen, unglücklich seien, und dabei doch der
                dieß Bewirkende ein Gott sei, daß dieß der Dichter sage, dürfen wir nicht
                dulden; wenn sie hingegen sagen würden, daß die Schlechten als

                Unglückliche eine Bestrafung bedurften, durch ihr Büßen aber von dem
                Gotte ihnen Nützliches zu Theil wurde, dann dürfen wir es zulassen; bei
                der Behauptung aber, daß ein Gott, während er ein Guter ist, für
                Jemanden die Ursache von Schlimmem werde, müssen wir auf jede
                Weise kämpfen, daß weder irgend Einer dieß in seinem Staate
                ausspreche, woferne dieser als ein wohlgesetzlicher bestehen soll, noch
                auch irgend Jemand, sei es ein Jüngerer oder ein Aelterer, es höre, mag

                die Erzählung der Fabel in gebundener oder in ungebundener Rede sein,
                da ja Solches, wenn es ausgesprochen wird, weder eine bezüglich des
                Göttlichen erlaubte Rede, noch auch uns zuträglich, noch endlich mit
                sich selbst in Einklang ist. – Ich gebe zugleich mit dir, sagte er, diesem
                Gesetze meine Stimme, und es gefällt mir. – Dieß demnach, sprach ich,
                wäre hiemit Eines von den Gesetzen betreffs der Götter und von jenen

                Geprägen, demzufolge die Erzählenden und die Dichtenden nicht
                erzählen und dichten dürfen, daß der Gott von Allem die Ursache sei,
                sondern nur daß von dem Guten. – Ja, und zwar ein sehr genügendes,
                sagte er. – Welches aber nun ist das folgende zweite? Glaubst du etwa,
                daß der Gott ein Zauberer sei und derartig, daß er in hinterlistiger
                Absicht bald in dieser bald in jener Gestalt erscheine, indem er bisweilen
                selbst so sich umwandle und seine eigene Form in viele Gestaltungen

                verändere, bisweilen aber auch uns täusche und bewirke, daß uns
                Derartiges betreffs seiner scheine, oder glaubst du, daß er sowohl einfach
                sei als auch von Allem am wenigsten aus seiner eigenen Gestalt
                heraustrete? – Ich kann, sagte er, für den Augenblick jetzt es nicht so
                schlechthin beantworten. – Wie aber? vielleicht Folgendes? Muß nicht
                nothwendig, woferne Etwas aus seiner eigenen Form heraustritt, es

                entweder selbst durch sich selbst oder durch irgend ein Anderes
                umgeändert werden? – Ja, nothwendig. – Nicht wahr also, durch ein
                Anderes wird jenes, was sich am besten verhält, wohl am wenigsten
                geändert und in Bewegung gesetzt, wie z. B. wenn der Körper durch
                Speise und Trank und Anstrengungen, und jede Pflanze durch
                Sonnenhitze und Winde und die derartigen Vorkommnisse geändert wird,
                wird da nicht das Gesündeste und Kräftigste wohl am wenigsten

                geändert? – Wie sollte es nicht so sein? – Aber würde nicht auch auf die
                Seele selbst; wenn sie die tapferste und verständigste ist, wohl am
                wenigsten ein äußeres Ereigniß erschütternd und ändernd einwirken? –
                Ja. – Und nun ja auch von allen zusammengesetzten Gerätschaften und





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