Page 91 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Abwendung willen wie eine Arznei etwas Nützliches? und machen wir
denn nun nicht auch in jenen fabelhaftem Sagen selbst, von welchen wir
jetzt sprachen, darum, weil mir betreffs der ältesten Dinge nicht wissen
wie die Wahrheit stehe, nun durch möglichste Verähnlichung der
Täuschung mit der Wahrheit dieselbe auf diese Weise wirklich zu einer
nützlichen? – Ja, gar sehr, sagte er, verhält es sich so. – Nach welcher
nun von diesen Beziehungen soll dem Gotte die Täuschung nützlich
sein? sollte er etwa darum, weil er die ältesten Dinge nicht weiß,
gleichfalls durch eine Verähnlichung eine Täuschung begehen? – Dieß
wäre ja lächerlich, sagte er. – Ein solcher täuschender Dichter also ist im
Gotte nicht vorhanden. – Mir scheint nicht. – Soll er aber etwa aus
Furcht vor den Feinden eine Täuschung begehen? – Weit gefehlt. – Aber
etwa wegen eines Unverstandes oder Wahnsinnes der ihm Befreundeten?
– Es ist ja aber, sagte er, kein Unverständiger und Wahnsinniger ein
Gottbefreundeter. – Also gibt es keinen Grund, um dessen willen Gott
täuschen sollte. – Nein, es gibt es keinen. – Also in jeder Beziehung ist
das DämonischeEs erinnert uns dieß von selbst auch an jenes Dämonion,
dessen Sokrates sich häufig rühmte; s. hierüber m. Uebers. d. gr. Phil. S.
51 f. und Göttliche ohne Täuschung. – Ja, völlig wohl, sagte er. – Gar
sehr also ist der Gott ein Einfaches und Wahres in That und Wort, und
weder selbst verwandelt er sich, noch täuscht er Andere, weder in
Truggebilden noch in Reden noch in Sendung von Zeichen, weder im
Wachen noch im Traume. – So zeigt es sich, sagte er, nun auch mir
selbst, während du sprichst. – Du gestehest also zu, sprach ich, daß dieß
jenes zweite Gepräge sei, dem zufolge man über die Götter sprechen und
dichten soll, daß nemlich dieselben weder Zauberer sind und sich selbst
verwandeln können, noch auch uns durch Täuschungen in Wort oder
That berücken? – Ich gestehe es zu. – Also während wir Vieles an
Homeros loben, werden wir hingegen Solches nicht loben, wie nemlich
die Sendung des Traumes durch Zeus an AgamemnonIm Anfange des II.
Gesanges der Ilias., noch auch an Aeschylos, wenn dort Thetis sagt,
Apollo habe bei ihrer Hochzeit gesungen:
»er verleihe Kindersegen
und ein von Krankheit freies und langdauerndes Leben.
Und in Allem mein Geschick als gottgeliebt bezeichnend
sprach der Gott gnädige Worte, mich erfreuend;
und ich hoffte, des Phöbus göttlicher Mund sei
täuschungslos,
sowie er von der Kunst des Wahrsagens überfließt;
er aber, der selbst jenes sang, der selbst beim Mahle war,
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