Page 96 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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übrigen Dichter bitten, nicht zu dichten, daß Achilleus, der Sohn einer
                Göttin,

                        »bald auf der Seite liegend, bald wieder auf dem Rücken,
                        bald auf dem Gesichte, bald wieder aufrecht stehend,

                        seufzte umherirrend am Ufersande des öden Meeres«Ilias
                        XXIV, V. 10 ff., jedoch mit einigen Abweichungen.;


                und auch nicht, daß er

                        »mit beiden Händen schwärzlichen Staub ergreifend
                        ihn streute über das Haupt«Ebend. XVIII, V. 23 f.;


                noch auch daß er sonst weinte und klagte, wie jener oft dichtete; und daß
                auch nicht Priamos, welcher doch den Göttern nahe ist, flehentlich bitte

                        »sich wälzend im Staube

                        und bei Namen rufend jeden einzelnen Mann«Ebend. XXII,
                        V. 414 f..


                Noch viel mehr aber als um dieses wollen wir sie bitten, daß sie ja doch
                nicht von Göttern selbst dichten, wie dieselben klagen und sagen:
                     »wehe mir Armen, wehe mir, der unglücklichen Mutter meiner
                Kinder«Ebend. XVIII, V. 54 (Worte der Thetis)..
                     Wenn sie es denn auch von Göttern dichten, so sollen sie sich doch
                nicht erkühnen, den größten der Götter so unähnlich darzustellen, daß er

                ruft:

                        »wehe mir, wie ein mir lieber Mann um die Mauer verfolgt
                        wird,
                        sehe ich mit meinen Augen, und es wehklagt mein
                        Herz«Ebend. XXII, V. 168 f.,


                und auch:

                        »wehe mir, daß mir den Sarpedon, den liebsten der Männer,

                        das Geschick durch die Hand des Patroklos, des
                        Menötiaden, bändigt«Ebend. XVI, V. 433 f..


                3. Denn wenn, o lieber Adeimantos, die jungen Leute Derartiges im
                Ernste anhören und nicht darüber lachenWenn Plato aus
                »philosophischen« Gründen homerische Stellen »lächerlich« findet, so
                werden wir vielleicht aus besseren Gründen auch manche platonische






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