Page 95 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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die Menge vergnüglich zu hören wäre, sondern gerade je dichterischer es
                ist, desto weniger dürfen es Knaben und Männer hören, welche frei sein
                sollen, insoferne sie Sklaverei mehr als den Tod fürchten. – Ja, durchaus

                wohl. –
                     2. Nicht wahr also, auch die vielen fürchterlichen und
                erschrecklichen Namen betreffs jener Dinge sind zu verbannen, wie
                »Kokytos«, »Styx«, »die Unterirdischen«, »die Kraftlosen«Von den
                letztern beiden Worten, welche übrigens durch die Uebersetzung
                verlieren, findet sich nur das erstere (ένεροι) bei Homer und bei Hesiod,
                das zweite (αλίβαντες) hingegen nicht., und alle Worte, welche sonst

                noch nach diesem Gepräge ausgesprochen werden und so sehr als
                möglich alle Hörenden schaudern machen; und vielleicht wohl mögen
                sie in anderer Beziehung gut sein, wir aber fürchten unsere Wächter, sie
                möchten uns aus diesem Schauder in größerer Fieberhitze und mit mehr
                Erschlaffung, als nöthig ist, hervorgehen. – Und mit Recht ja, sagte er,
                fürchten wir dieß. – Also tilgen müssen wir jene? – Ja. – Aber das

                entgegengesetzte Gepräge von diesem müssen wir aussprechen und
                dichten? – Klärlich. – Und auch jene Wehklagen also und jenes Jammern
                der ruhmwürdigen Männer werden wir tilgen? – Ja, nothwendig, sagte er,
                woferne auch das Vorige. – So erwäge denn nun, sprach ich, ob wir mit
                Recht dieß tilgen werden oder nicht; wir behaupten aber demnach, daß
                der tüchtige Mann für den tüchtigen Mann, dessen Gefährte er wohl auch
                ist, den Tod nicht für etwas Fürchterliches halten wird. – Ja, wir

                behaupten es. – Nicht also würde er über jenen, als wäre ihm etwas
                Fürchterliches widerfahren, wehklagen. – Nein, sicher nicht. – Nun aber
                sagen wir ja auch noch Folgendes, daß der Derartige zumeist für sich
                allein schon sich genügt zu einem guten Leben und in einer vor den
                Uebrigen hervorragenden Weise am wenigsten eines Anderen hiezu
                bedarf. – Dieß ist wahr, sagte er. – Am wenigsten also ist es für ihn etwas

                Fürchterliches, eines Sohnes oder Bruders oder seines Vermögens oder
                anderer derartiger Dinge beraubt zu werden. – Allerdings am wenigsten.
                – Am wenigsten also würde er auch wehklagen, und so mild als möglich
                es ertragen, wenn ihn ein derartiges Geschick getroffen? – Ja, bei
                Weitem. – Mit Recht also möchten wir wohl jenes Weinen der
                berühmten Männer tilgen und den Weibern es überlassen, und nicht
                einmal unter diesen den tüchtigen, und unter den Männern den feigen,

                damit es für uns denjenigen verleidet werde, Aehnliches zu thun, welche
                wir ja zur Bewachung des Landes zu erziehen behaupten. – Ja, mit
                Recht, sagte er. – Abermals demnach werden wir den Homeros und die







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