Page 99 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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allerdings nicht zu verwundern; oder wie scheint es dir? – Eben so, sagte
                er. –
                     4. Wie aber? wenn man dichtet, daß der weiseste Mann sage es

                scheine ihm von Allem das Schönste zu sein, wenn

                        »die Tische dastehen voll
                        von Brod und Fleische, und Wein aus dem Mischkruge
                        schöpfend
                        der Mundschenk trägt und in die Becher eingießt«Odyss. IX,
                        V. 8 ff.,


                scheint dir dieß tauglich zu sein für einen jungen Menschen bezüglich
                der Selbstbeherrschung, um es anzuhören? oder folgendes?

                     »durch Hunger zu sterben und sein Lebensende zu finden, ist das
                jammervollste«Ebend. XII, V. 243.,
                     oder daß Zeus all dasjenige, was er während des Schlafes der übrigen
                Götter und Menschen als der allein Wachende beratschlagt hatte, gar
                leicht aus Begierde nach Liebesgenuß vergißt, und beim Anblicke der
                Hera so durchzuckt wird, daß er nicht einmal in das Schlafgemach sich
                begeben, sondern gleich dortselbst auf der Erde mit ihr in Liebe sich

                vereinigen will und sagt, er werde in solchem Grade von Begierde
                gefesselt, wie nicht einmal damals, als sie das erstemal »ohne Wissen der
                liebenden Eltern« einander sich nähertenIlias, XIV, V. 153–353.; oder
                dann auch wohl nicht die Fesselung des Ares und der AphroditeOdyss.
                VIII, V. 266–366. durch Hephästos aus anderen derartigen Gründen. –

                Nein, bei Gott, sagte er, Solches scheint mir nicht tauglich. – Aber wenn
                irgendwo, sprach ich, eine Selbstbeherrschung gegen Alles seitens
                ruhmwürdiger Männer entweder erzählt oder geübt wird, so muß man
                bei Solchem zusehen und es anhören, wie z. B. folgendes:

                        »an die Brust aber schlagend, redete er sein Herz mit den
                        Worten an:
                        dulde denn nun, mein Herz; auch anderes Härteres hast du

                        geduldet«Ebend. XX, V. 17 f.. –


                Ja wohl, völlig, sagte er. – Und nicht bestechlich ja auch dürfen wir
                unsere Männer sein lassen, noch geldliebend. – In keiner Weise. – Also
                dürfen wir ihnen auch nicht singen:
                     »Geschenke wirken auf Götter, Geschenke auf ehrwürdige
                Könige«Ein später Lexikograph (Suidas) schreibt diesen uns weiter nicht
                bekannten Vers dem Hesiod zu.;






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