Page 98 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 98

Wahrheit sagt, oder wenn gegen einen Steuermann Einer betreffs des
                Schiffes und der Schiffsgenossen nicht das wirklich Seiende sagt, wie es
                mit ihm selbst oder mit irgend einem der Mitfahrenden stehe. – Sehr

                wahr ist dieß, sagte er. – Wenn er also irgend einen Anderen in dem
                Staate auf einer Täuschung ertappt, Einen von denjenigen,

                        »welche da Werkmeister sind,
                        einen Seher, einen Arzt in der Noth, oder einen
                        Baumeister«Odyss. XVII, V. 383 f.,


                so wird er ihn züchtigen, da er ein Bestreben einführt, welches dem
                Staate, wie einem Schiffe, den Untergang bereitet und verderblich ist. –
                Ja, wenigstens dann, wenn zum Worte auch die vollendete That

                hinzukömmt. – Was aber weiter? wird uns nicht etwa für die Jünglinge
                auch Besonnenheit nöthig sein? – Wie sollte es anders sein? – Was aber
                eben Besonnenheit bezüglich der Menge des Volkes betrifft, ist da nicht
                Folgendes das Bedeutendste, daß sie einerseits den Herrschern
                gehorchen, andrerseits aber selbst eine Herrschaft ausüben über die
                Vergnügungen in Speise und Trank und Liebesgenuß? – So scheint es
                mir wenigstens. – Folgendes demnach werden wir, glaube ich, als richtig

                gesagt bezeichnen, was auch bei Homeros Diomedes sagt:
                     »Trauter, schweig stille, und folge meiner Rede«Ilias, IV, V. 412.,
                     und die darauf folgenden Worte, sowie auch:

                        »es gingen dahin stillschweigend muthbeseelt die
                        Achäer«Ebend. III, V. 8 (das im homerischen Verse stehende
                        Wort »stillschweigend« darf im Texte bei Plato nicht
                        fehlen).,

                        »stillschweigend fürchtend ihre Gebieter«Ebend. IV, V. 431.,


                und was sonst Derartiges ist. – Ja, als richtig gesagt. – Wie aber nun? das
                folgende:
                     »Weintrunken, mit dem Auge eines Hundes und dem Herzen eines
                Hirsches«Ebend. I, V. 225.
                     und die darauf folgenden Worte, ist dieß etwa richtig gesagt, und

                aller andere jugendliche Uebermuth der Einzelnen gegen die Herrscher,
                welchen Jemand in ungebundener oder in dichterischer Rede erzählt? –
                Nein, nicht richtig. – Nicht ja, glaube ich, ist Solches wenigstens
                bezüglich der Besonnenheit für junge Leute tauglich, um es anzuhören;
                in wieferne es aber irgend ein anderes Vergnügen gewährt, ist es








                                                           97
   93   94   95   96   97   98   99   100   101   102   103