Page 93 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 93

Drittes Buch.



                                                  Inhaltsverzeichnis




                1. Was demnach die Götter betrifft, sagte ich, so müssen ungefähr
                Derartiges, wie es scheint, sogleich von ihrer Kindheit an Diejenigen

                hören und nicht hören, welche dereinst die Götter und die Eltern ehren
                und die wechselseitige Freundschaft nicht gering achten sollen. – Ja, und
                ich glaube wenigstens, sagte er, daß dieß sich richtig uns so zeige. – Wie
                aber nun? wenn jene auch tapfer werden sollen, muß man ihnen dann
                nicht sowohl eben Solches als auch Derartiges sagen, was bewirken
                würde, daß sie den Tod am wenigsten fürchten? oder glaubst du, es
                könne Einer jemals tapfer werden, wenn er diese Furcht in sich trägt? –

                Nein, bei Gott, sagte er, gewiß nicht. – Wie aber? Meinst du, daß
                Jemand, welcher an die Dinge im Hades glaubt und sie für so
                fürchterlich hält, wohl furchtlos sein und in den Schlachten den Tod statt
                der Niederlage und Sklaverei wählen werde? – In keiner Weise. – Wir
                müssen demnach, wie es scheint, auch betreffs dieser Fabeln jene

                beaufsichtigen, welche hierüber zu sprechen versuchen, und wir müssen
                verlangen, daß sie nicht schlechthin über die Dinge im Hades schmähen,
                sondern weit eher sie loben, da sie ja außerdem weder Wahres noch für
                die künftigen Kämpfer Nützliches sagen würden. – Wir müssen dieß
                allerdings, sagte er. – Ausstreichend. h. Plato verfährt eben als ächter
                Doctrinär; er findet die in den volksthümlichen Anschauungen
                vorliegenden poetischen Angaben über das Leben nach dem Tode

                unpassend und er macht sich frisch daran, aus den homerischen
                Gesängen eine Menge einzelner Verse sofort herauszuschneiden, für sich
                selbst aber behält er sich wohlweislich die Befugniß bevor, völlig nach
                seinem Gutdünken Himmel und Hölle und Fegfeuer in sehr grellen und
                selbst grob sinnlichen Farben auszumalen, wie er es am Schlusse dieses
                Werkes (Buch X, Cap. 13 ff.) und im Phädon (Cap. 57–62) in so reichem

                Maße thut, daß der Leser schwerlich. die Ueberzeugung festzuhalten
                vermag, er habe einen »Philosophen« vor sich. also, sagte ich, werden
                wir von folgendem Verse angefangen alles derartige:

                        »Lieber wollte ich als Ackerknecht bei einem Anderen im
                        Dienste stehen,
                        bei einem Unbegüterten, welcher nicht Viel zu leben hat,





                                                           92
   88   89   90   91   92   93   94   95   96   97   98