Page 89 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Baulichkeiten und Kleidungsstücken werden diejenigen, welche gut
                gearbeitet sind und sich gut verhalten, wohl am wenigsten durch die Zeit
                und durch die übrigen Vorkommnisse geändert? – Ja, es ist so. – Jedes

                demnach, was entweder vermöge der Natur oder vermöge der Kunst oder
                vermöge beider sich richtig verhält, läßt im geringsten Grade eine
                Veränderung durch irgend ein Anderes in sich zu. – Ja, so scheint es. –
                Nun aber verhält sich ja doch der Gott und das Göttliche in jeder
                Beziehung am besten. – Wie sollte es auch nicht so sein? – In dieser
                Beziehung demnach möchte wohl der Gott am wenigsten viele
                Gestaltungen annehmen. – Ja, sicher am wenigsten. –

                     20. Möchte also wohl er selbst es sein, welcher sich selbst
                verwandelt und ändert? – Klärlich, sagte er, bleibt dieß allein noch übrig,
                woferne er überhaupt verändert werden soll. – Würde er nun etwa in ein
                Besseres und Schöneres oder in ein Schlechteres und Häßlicheres, als er
                selbst ist, sich verwandeln? – Nothwendig in das Schlechtere, sagte er,
                woferne er sich verändert; denn wir werden ja doch wohl nicht

                behaupten, daß der Gott erst noch einer höheren Schönheit und
                Trefflichkeit bedürftig sei. – Völlig richtig, sagte ich, sprichst du; und
                wenn dieß sich so verhält, scheint dir dann, o Adeimantos, irgend
                Jemand freiwillig sich selbst schlechter machen zu wollen, sei es ein
                Gott oder ein Mensch? – Unmöglich, sagte er. – Unmöglich also, sprach
                ich, ist es auch für einen Gott, daß er sich selbst verändern wolle,
                sondern, wie es scheint, als der möglichst schönste und beste verharrt

                jeder derselben stets schlechthin in seiner Gestaltung. – Durchaus
                nothwendig, sagte er, scheint mir dieß zu sein. – Keiner also unter den
                Dichtern, mein bester, sprach ich, möge uns etwa sagen, daß

                        »Götter fremden Wanderern gleich
                        in mancherlei Gestalt die Städte durchziehen«Odyssee,
                        XVII, V. 485.,


                und keiner möge Lügen verbreiten über den Proteus oder über die
                ThetisProteus nahm mannigfache Gestalten an, um den ihn Befragenden

                nicht wahrsagen zu dürfen (Odyss. IV, V. 364), Thetis aber nahm
                Menschen-Gestalt bei der Ehe mit dem sterblichen Peleus an (Pindar,
                Nem. 4). Uebrigens vgl. bezüglich der platonischen Ansicht unten Anm.
                199, noch auch führe Einer in Tragödien oder anderen Gedichten die
                Hera in eine Priesterin verwandelt ein, indem sie Gaben sammelt

                     »von den fruchtspendenden Söhnen des argivischen Flusses
                Inachos«Woher dieser Vers entnommen sei, wissen wir nicht; aus einer
                Tragödie schwerlich, da er in epischer Form angeführt ist.,




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