Page 899 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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den, für den sie gefochten, wie den, gegen den sie gefochten haben, und
                zwar entweder aus Tücke des Fürsten, der sie sandte, oder aus eignem
                Ehrgeiz. Den Römern lag es zwar fern, Bündnis und Verträge mit den

                Capuanern zu brechen, aber jenen Truppen schien es doch so leicht, die
                Capuaner zu unterjochen, daß sie dadurch auf den Gedanken kamen,
                ihnen Stadt und Land zu entreißen. Dafür könnte ich noch manches
                Beispiel anführen, begnüge mich aber mit diesem und dem Beispiel von
                Rhegion, 281 v. Chr., nach der Landung des Pyrrhus in Tarent, legten die
                Römer zum Schutz eine campanische Legion nach Rhegion. Die
                Campanier machten aber gemeinsame Sache mit den Mamertinern in

                Syrakus (siehe Buch II, Kap. 1), töteten die Einwohner von Rhegion und
                machten sich zu Herren der Stadt, die erst 270 von den Römern
                zurückgewonnen wurde. Vgl. Livius XXXI, 31. dessen Einwohner
                Leben und Freiheit durch eine von den Römern zum Schutz in die Stadt
                gelegte Legion verloren.
                     Ein Fürst oder eine Republik soll daher lieber jedes andre Mittel

                ergreifen, als zu seinem Schutz Hilfsvölker in seinen Staat zu ziehen,
                zumal wenn er sich ganz auf sie verlassen muß; denn jedes Abkommen,
                jeder noch so harte Vergleich mit dem Feinde wird für ihn leichter sein
                als dies Hilfsmittel. Wer aufmerksam die Geschichte liest und die
                jetzigen Begebenheiten durchgeht, findet auf einen, der Glück damit
                hatte, zahllose Betrogene. Ehrgeizige Fürsten und Republiken können
                keine bessere Gelegenheit haben, sich in den Besitz einer Stadt oder

                eines Landes zu setzen, als wenn sie gebeten werden, ihre Heere zu
                dessen Verteidigung zu senden. Wer daher so ehrgeizig ist, daß er solche
                Hilfe nicht nur zu seiner Verteidigung, sondern auch zum Angriff auf
                andre herbeiruft, sucht etwas zu erobern, was er nicht festhalten kann
                und was ihm der, der es ihm erobert, mit Leichtigkeit entreißen kann.
                Aber der menschliche Ehrgeiz ist so groß, daß man, um eine

                augenblickliche Begierde zu befriedigen, nicht an das Übel denkt, das in
                kurzem daraus entspringen muß. Die Beispiele der Alten rühren uns hier
                ebensowenig wie in allem übrigen. Denn ließe man sich durch sie
                belehren, so sähe man ein, daß sich die Nachbarn einer Macht um so
                eher in die Arme werfen, je großmütiger sie sich zeigt, und je weiter sie
                davon entfernt ist, sie zu unterjochen. Die Capuaner liefern dafür
                folgenden Beweis.














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