Page 949 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Sechstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Von den Verschwörungen.
Ich wollte nicht unterlassen, von den Verschwörungen zu reden, da sie
für Fürsten wie Privatleute gleich gefährlich sind. Durch sie haben mehr
Fürsten Leben und Herrschaft verloren als durch offenen Krieg; Vgl.
Aristoteles, Politik, VIII, 8, 22; Polybios, XI, 25, 2 ff. denn offenen
Krieg können nur wenige mit einem Fürsten führen, sich gegen ihn
verschwören jedoch jeder. Andrerseits ist eine Verschwörung das
mißlichste und verwegenste Unternehmen, auf das sich Privatleute
einlassen können, denn es ist in jeder Beziehung gefahrvoll und
schwierig. Daher kommt es, daß viele Verschwörungen unternommen
werden, aber nur sehr wenige gelingen. Damit nun die Fürsten sich vor
dieser Gefahr hüten lernen und die Privatleute sich nicht so dreist darauf
einlassen, sondern unter der ihnen vom Schicksal gegebenen Regierung
zufrieden leben lernen, will ich ausführlich davon handeln und keinen
denkwürdigen Fall übergehen, der beiden Teilen zur Lehre dienen kann.
Wahrhaft golden ist der Spruch des Cornelius Tacitus: »Die Menschen
müssen die Vergangenheit ehren und sich der Gegenwart unterwerfen,
sich gute Herrscher wünschen und sie so, wie sie sind, ertragen«.
Historien IV, 8. Fürwahr, wer anders handelt, richtet meistenteils sich
und sein Vaterland zugrunde! Kommen wir jedoch zur Sache.
Zuerst müssen wir betrachten, gegen wen Verschwörungen gemacht
werden, und da werden wir finden, daß man sich entweder gegen das
Vaterland oder gegen einen Fürsten verschwört. Von diesen beiden Arten
wollen wir jetzt reden, denn von den Verschwörungen, die angezettelt
werden, um dem Feind eine von ihm belagerte Stadt auszuliefern, oder
den aus ähnlichen Gründen unternommenen ist oben hinreichend
gesprochen worden. S. Buch II, Kap. 32. Beginnen wir also mit den
Verschwörungen gegen die Fürsten und untersuchen wir zunächst deren
Ursachen. Es gibt ihrer viele, eine aber ist die wichtigste von allen, das
ist der Haß des ganzen Volkes. Denn ein Fürst, der sich den allgemeinen
Haß zugezogen hat, besitzt natürlich auch einzelne Feinde, die von ihm
besonders verletzt sind und nach Rache dürsten. Dieser Rachedurst wird
vermehrt durch die allgemeine Mißstimmung, die sie gegen ihn sehen.
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