Page 952 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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will. Lassen wir jedoch diese Anschläge einzelner beiseite und kommen
                wir zu den Verschwörungen mehrerer.
                     Man findet in der Geschichte, daß alle Verschwörungen von Großen

                oder von Männern aus der nächsten Umgebung des Fürsten angesponnen
                werden; denn andere, die nicht völlig unsinnig sind, können sich nicht
                verschwören, weil geringen und dem Fürsten fernstehenden Leuten alle
                Hoffnungen und Gelegenheiten fehlen, die zur Ausführung einer
                Verschwörung erforderlich sind. Erstens können geringe Leute niemand
                finden, der ihnen die Treue hielte, denn sie können keinen durch
                Hoffnungen, wie sie die Menschen in große Gefahren treiben, für ihre

                Sache gewinnen. Haben sie daher zwei bis drei Mitwisser, so finden sie
                ihren Angeber und gehen zugrunde. Wären sie aber auch so glücklich,
                keinen Angeber zu finden, so werden sie doch dadurch, daß sie keinen
                leichten Zugang zum Fürsten haben, so in der Ausführung behindert, daß
                sie bei ihr notwendig zugrunde gehen müssen. Denn erliegen schon
                Große und Männer, die bequemen Zutritt haben, den Hindernissen, die

                wir unten anführen werden, so müssen sich bei jenen die
                Schwierigkeiten ins unendliche steigern. Da nun die Menschen, wo es
                um Leben und Vermögen geht, nicht ganz unsinnig sind, so hüten sie
                sich, wenn sie sich machtlos sehen, vor Verschwörungen, und wenn sie
                einen Fürsten hassen, begnügen sie sich damit, ihn zu verfluchen und
                abzuwarten, bis Mächtigere sie rächen. Gesetzt aber auch, daß einer von
                ihnen dergleichen versuchte, so muß man zwar seine Kühnheit loben,

                nicht aber seine Klugheit.
                     Man ersieht daraus, daß alle Verschwörer Große oder Männer aus der
                Umgebung des Fürsten waren. Viele von ihnen wurden ebensosehr durch
                zu viele Wohltaten dazu bewogen, wie durch zu große Beleidigungen, so
                Perennis gegen Commodus, Plautian gegen Severus, Sejan gegen
                Tiberius. Alle diese waren von ihren Kaisern derart mit Reichtümern,

                Ehren und Würden überhäuft, daß ihnen zur höchsten Macht nur noch
                die Kaiserwürde zu fehlen schien. Da sie auch die nicht missen wollten,
                verschworen sie sich gegen ihre Fürsten und nahmen sämtlich das Ende,
                das ihre Undankbarkeit verdiente. Bessern Erfolg hatte neuerdings die
                Verschwörung des Jacopo d'Appiano gegen Piero Gambacorti, den
                Fürsten von Pisa, der von ihm erzogen, ernährt und groß gemacht
                worden war, und dem er die Herrschaft (1392) entriß. Hierher gehört

                auch die Verschwörung des Coppola gegen König Ferdinand von
                Aragonien. Francesco Coppola, Graf von Sarno, war das Haupt einer
                Verschwörung gegen König Ferdinand I. von Neapel (1458-94), die 1485
                ausbrach und in die sich der Papst, Mailand und Florenz einmischten.





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