Page 950 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Ein Fürst muß sich daher hüten, die öffentliche Meinung gegen sich zu
haben. Daß der Fürst Haß und Verachtung meiden müsse, lehrt
Aristoteles, Politik, VIII, 8, 20, und Plutarch, Praecepta gerendi rei
publicae, 10. Wie dies zu vermeiden ist, habe ich andernorts gezeigt und
will hier nicht darauf zurückkommen. Im »Fürsten«, Kap. 19. Hütet er
sich davor, so werden ihm bloße Privatbeleidigungen weniger schaden,
einmal, weil die Menschen selten eine Beleidigung so hoch anschlagen,
daß sie sich der Rache wegen so großer Gefahr aussetzen, und zweitens,
weil sie, auch wenn sie Lust und Macht dazu hätten, durch die
allgemeine Zuneigung zurückgehalten werden, die dem Fürsten zuteil
wird.
Die Beleidigungen betreffen entweder das Vermögen, das Leben oder
die Ehre. Bei denen, die das Leben betreffen, sind die Drohungen
gefährlicher als die Tat, ja sie sind äußerst gefährlich Nach Aristoteles,
Politik, VIII, 8, 14. und bei der Tat gar keine Gefahr, weil der Tote nicht
auf Rache sinnen kann und die Überlebenden diesen Gedanken meist den
Toten überlassen. Wer aber bedroht ist und sich in die Notwendigkeit
versetzt sieht, entweder zu handeln oder zu leiden, wird für den Fürsten
der gefährlichste Mensch, wie wir am gehörigen Ort noch besonders
zeigen werden. S. Seite 26 ff. Hiervon abgesehen, sind Vermögen und
Ehre die beiden Dinge, deren Verletzung die Menschen am meisten
kränkt. Nach Aristoteles, Politik, VIII, 9, 18,17. Davor muß sich der
Fürst hüten, denn er kann einen Menschen nie so ganz ausplündern, daß
ihm kein Dolch zur Rache bleibt, und er kann keinen so entehren, daß
ihm nicht der zähe Vorsatz bleibt, sich zu rächen. Was die Ehre betrifft,
so verletzt die Männer am tiefsten die Entehrung ihrer Frauen, sodann
die Beschimpfung der eignen Person. Ebd., VIII, 8, 11. Die Kränkung
der Ehre brachte den Pausanias gegen Philipp von Mazedonien auf; S.
Buch II, Kap. 28. sie brachte viele andre in Harnisch gegen viele Fürsten.
In unsrer Zeit wurde Giulio Belanti nur dadurch zur Verschwörung gegen
Pandolfo Petrucci, den Tyrannen von Siena bewogen, daß dieser ihm
seine Tochter zur Frau gegeben und sie ihm dann wieder genommen
hatte, wie wir an andrer Stelle erzählen werden. S. Seite 255 f. Der
Hauptgegenstand für die Verschwörung der Pazzi gegen die Medici war
die Erbschaft des Giovanni Bonromei, die ihnen auf Geheiß der Medici
entzogen wurde. S. Lebenslauf, 1478, und Seite 251.
Ein andrer, sehr mächtiger Anlaß zur Verschwörung gegen einen
Fürsten ist der Wunsch, das von ihm geknechtete Vaterland zu befreien.
Dieser Anlaß stachelte Brutus und Cassius gegen Cäsar auf, er trieb viele
andre zur Verschwörung gegen Phalaris, Dionys S. Buch I, Kap. 10,
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