Page 957 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Als Plautian den Kaiser Severus Septimius Severus (193-211).
                Plautian war der Präfekt der Prätorianer. (Nach Herodian, III.) und
                dessen Sohn Antoninus ermorden lassen wollte, beauftragte er damit den

                Tribunen Saturnius. Der wollte es nicht tun, sondern ihn angeben,
                fürchtete aber, wenn es zur Klage käme, man würde dem Plautian mehr
                glauben als ihm, und verlangte daher zur Beglaubigung seines Auftrages
                einen Zettel von seiner Hand. Durch seinen Ehrgeiz verblendet, stellte
                Plautian ihn aus, und die Folge war, daß der Tribun ihn anzeigte und
                überführte. Ohne diesen Zettel und andre Unterschriften hätte Plautian,
                der dreist leugnete, die Oberhand behalten. Gegen die Anzeige eines

                einzigen gibt es also immer noch ein Mittel, wenn man nur nicht durch
                ein Schriftstück oder andre Unterschriften überführt werden kann, wovor
                man sich also hüte. Zur Verschwörung Pisos gehörte auch ein Weib,
                Epicaris, eine frühere Freundin Neros. Die hielt es für gut, den
                Befehlshaber einiger Dreiruderer, die Nero zu seiner Bedeckung hielt,
                unter die Verschworenen aufzunehmen und ihm den Anschlag, aber nicht

                die Namen der Verschwörer mitzuteilen. Als dieser Befehlshaber sie nun
                verriet und bei Nero anzeigte, leugnete Epicaris mit solcher Dreistigkeit,
                daß Nero nicht wußte, woran er war, und sie nicht verurteilte. Tacitus,
                Annalen, XV, 51. Bei der Mitteilung des Anschlages an einem einzigen
                sind also zwei Gefahren, erstens, daß er dich absichtlich angibt,
                zweitens, daß er dich angibt, wenn er auf einen Verdacht oder ein
                Anzeichen hin festgenommen und überführt oder durch die Folter

                gezwungen wird. Allein in beiden Fällen gibt es noch ein Rettungsmittel,
                nämlich zu leugnen; im ersten Falle, indem du den Haß des Angebers
                gegen dich geltend machst, und im zweiten Falle, indem du sagst, seine
                Lügen seien ihm durch die Folter erpreßt. Am klügsten ist es also,
                niemand etwas zu sagen und sich nach den obengenannten Beispielen zu
                richten; muß man sich aber anvertrauen, dann nur einem. Dabei ist zwar

                etwas Gefahr, aber doch lange nicht so viel, als wenn man sich vielen
                anvertraut.
                     Verwandt ist der Fall, wo die Not dich zwingt, dem Fürsten das
                anzutun, was er, wie du siehst, dir selbst antun möchte, und wo diese Not
                so groß ist, daß sie dir nur die Zeit läßt, an deine Sicherheit zu denken.
                Dieser Zwang führt fast stets zum gewünschten Erfolg; zum Beweis will
                ich nur zwei Beispiele anführen.

                     Laetus und Eclectus, zwei Hauptleute der Prätorianer, zählten zu den
                vertrautesten Freunden des Kaisers Commodus, und Marcia war seine
                liebste Beischläferin und Freundin. Da sie ihm manchmal die
                Schändlichkeiten vorwarfen, mit denen er seine Person und die





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