Page 961 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ergriffen, noch ehe er zum Streich ausholen konnte. Antonio da Volterra
                war beauftragt, den Lorenzo Medici zu ermorden. In der Verschwörung
                der Pazzi, S. Seite 251. Als er auf ihn zutrat, rief er: »Ha, Verräter!« Dies

                Wort war Lorenzos Glück und brachte die Verschwörung zum Scheitern.
                     Aus diesen Gründen kann eine Verschwörung gegen einen einzigen
                scheitern. Noch leichter aber mißglückt sie gegen zwei, ja sie ist dann so
                schwierig, daß ihr Gelingen fast unmöglich ist. Denn die gleiche Tat zur
                selben Zeit an verschiedenen Orten auszuführen, ist fast unmöglich; zu
                verschiedenen Zeiten aber darf sie nicht geschehen, wenn nicht eins das
                andre verderben soll. Ist daher schon die Verschwörung gegen einen

                Fürsten mißlich, gefährlich und unklug, so ist sie gegen zwei völlig eitel
                und leichtfertig. Nur die Achtung vor dem Geschichtsschreiber läßt mich
                an die Möglichkeit dessen glauben, was Herodian von Plautian erzählt,
                daß er nämlich dem Centurio Saturninus aufgetragen habe, ganz allein
                den Severus und Antoninus, die sich an zwei verschiedenen Orten
                aufhielten, zu töten. Denn das ist so vernunftswidrig, daß es mir kein

                andrer je glaubhaft machte. Einige athenische Jünglinge verschworen
                sich gegen Diokles und Hippias, die Tyrannen Athens. Sie ermordeten
                den Diokles, aber Hippias blieb am Leben und rächte ihn. Gemeint sind
                die Söhne des Pisistratos, Hipparch, deren letzterer 514 v. Chr. ermordet
                wurde. Hippias wurde 510 vertrieben. Chion und Leonides von
                Herakleia, Schüler des Plato, verschworen sich gegen die Tyrannen
                Klearchos und Satyros; Klearchos fiel, aber Satyros blieb am Leben und

                rächte ihn. Den Pazzi, die wir mehrfach anführten, gelang nur die
                Ermordung Giulianos. Vor solchen Verschwörungen gegen mehrere muß
                sich daher jedermann hüten; denn er nützt damit weder sich noch dem
                Vaterland noch irgendwem. Vielmehr werden die Überlebenden nur noch
                unerträglicher und härter, wie Florenz, Athen und Herakleia wissen.
                Allerdings war auch die Verschwörung des Pelopidas zur Befreiung

                seiner Vaterstadt Theben mit all diesen Schwierigkeiten verknüpft und
                nahm dennoch den glücklichsten Ausgang. Denn Pelopidas verschwor
                sich nicht gegen zwei Tyrannen, sondern gegen zehn; er war nicht nur
                nicht ihr Vertrauter und hatte keinen bequemen Zutritt zu ihnen, sondern
                er war ein Empörer. Trotzdem gelang es ihm, nach Theben zu kommen,
                die Tyrannen zu töten und das Vaterland zu befreien. Er hatte nur den
                Beistand eines Ratgebers der Tyrannen, namens Charon, der ihm den

                Zutritt zu ihnen erleichterte. Möge jedoch niemand seinem Beispiel
                folgen, denn das Unternehmen war an sich unmöglich und sein Gelingen
                ein Wunder. Auch die Schriftsteller, die es verewigt haben, halten und
                hielten es für etwas Seltenes und fast Beispielloses.





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