Page 959 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 959

Abänderung mehr Unordnung, als im Kriege und in Fällen, wie den hier
                besprochenen. Denn die Hauptsache bei allen solchen Unternehmungen
                ist, daß jeder sich die Ausführung dessen, was er zu tun hat, fest

                vornimmt. Hat jeder nun seine Einbildungskraft tagelang auf einen Plan
                und eine Anordnung eingestellt, und diese werden plötzlich geändert, so
                muß notwendig alles in Verwirrung geraten, und der ganze Anschlag
                mißlingt. Es ist daher viel besser, ihn nach der einmal gegebenen
                Anordnung auszuführen, selbst wenn man einigen Nachteil dabei sieht,
                als durch seine Abänderung in tausend andere zu geraten. Das aber
                geschieht, wenn man keine Zeit hat, einen neuen Plan aufzustellen; denn

                hat man Zeit, so kann man alles nach Gutdünken wieder einrichten.
                     Die Verschwörung der Pazzi gegen Giuliano und Lorenzo von
                Medici ist bekannt. Vgl. Seite 242 oben. Der Plan war, daß sie bei einem
                Gastmahl beim Kardinal von San Giorgio ermordet werden sollten. Und
                zwar war bestimmt, wer sie töten, wer das Rathaus besetzen, wer durch
                die Stadt laufen und das Volk zur Freiheit aufrufen sollte. Als nun die

                Pazzi, die Medici und der Kardinal beim Hochamt im Dome zu Florenz
                waren, erfuhr man, daß Giuliano nicht beim Kardinal speisen würde.
                Darauf traten die Verschworenen zusammen und beschlossen, den
                Anschlag in der Kirche auszuführen. Das brachte den ganzen Plan in
                Verwirrung. Denn Giovanbattista da Montesecco wollte sich an dem
                Mord in der Kirche nicht beteiligen. Infolgedessen mußten alle Rollen
                neu verteilt werden; die damit Betrauten hatten keine Zeit, sich die Sache

                fest vorzunehmen, und machten solche Fehler, daß der Anschlag
                mißglückte.
                     Der Vollstrecker der Tat verliert den Mut entweder aus Ehrfurcht
                oder aus Feigheit. Die Majestät eines Fürsten und die Scheu, die seine
                Erscheinung einflößt, ist so groß, daß sie den Vollstrecker leicht
                weichherzig macht oder einschüchtert. Als Marius von den Einwohnern

                von Minturnae gefangengenommen war, schickten sie einen Sklaven, um
                ihn zu töten. Der aber, durch den Anblick dieses Mannes und das
                Andenken seines Namens erschreckt, verlor allen Mut und alle Kraft, ihn
                zu töten. Wenn aber schon ein gefangener, gefesselter und vom Unglück
                gebeugter Mann diese Wirkung ausübt, wieviel mehr ist sie bei einem
                Fürsten zu fürchten, der ungebunden, in seiner Herrscherpracht und im
                Glanz seines Gefolges auftritt. Dieser Glanz kann dich also

                einschüchtern oder ein freundlicher Empfang dein Herz erweichen.
                     Es verschworen sich einige gegen Sitalkes, König von Thrazien.
                Gemeint ist wohl der Odryse Sitalkes, Bundesgenosse der Athener im
                Peloponnesischen Krieg, der 424 im Krieg gegen die Triballer fiel. Vgl.





                                                          958
   954   955   956   957   958   959   960   961   962   963   964