Page 965 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 965
haben sich andrer Kunstgriffe und Mittel bedient und ihr Ziel mit der
Zeit ohne Gefahr erreicht.
Die, welche sich mit eigner Macht oder mit Hilfe fremder Heere
gegen die Freiheit ihres Vaterlandes verschworen, hatten je nach ihrem
Glück verschiedenen Erfolg. Catilina ging darüber zugrunde. Hanno, den
wir bereits erwähnten, bewaffnete, als es ihm mit Gift nicht gelang, ein
paar tausend Anhänger und kam mit allen ums Leben. Um die
Alleinherrschaft an sich zu reißen, riefen ein paar der ersten Bürger
Thebens ein spartanisches Heer zu Hilfe und bemächtigten sich der
Herrschaft. Geht man alle Verschwörungen gegen das Vaterland durch,
so findet man kaum eine, die während der Anstiftung unterdrückt wurde.
Sie sind entweder alle geglückt oder bei der Ausführung gescheitert.
Nach der Ausführung aber ist keine andre Gefahr dabei als die mit der
Natur der Alleinherrschaft verbundene; denn ist jemand Tyrann
geworden, so drohen ihm die natürlichen und gewöhnlichen Gefahren
der Tyrannenherrschaft, gegen die er nur die oben erörterten Mittel hat.
Dies ist, was ich über die Verschwörungen schreiben wollte. Wenn
ich dabei nur von solchen sprach, die mit dem Schwert und nicht durch
Gift ausgeführt werden, geschah es, weil der Hergang der gleiche ist. Die
Verschwörungen durch Gift sind freilich noch gefährlicher, weil
unsichrer. Da nicht jeder Gelegenheit dazu hat, muß er sich mit einem,
der sie hat, verständigen, und in dieser Notwendigkeit liegt Gefahr.
Außerdem kann ein Gifttrank aus vielen Gründen nicht tödlich wirken,
wie bei Commodus, der das ihm beigebrachte Gift wieder von sich gab,
so daß man ihn erwürgen mußte, damit er starb.
Den Fürsten kann also nichts Schlimmeres drohen als eine
Verschwörung; denn sie kostet ihnen entweder das Leben oder bringt
ihnen Schande. Glückt sie, so sterben sie; wird sie entdeckt und die
Verschworenen hingerichtet, so glaubt man stets, das Ganze sei eine
Erfindung des Fürsten, um seine Habsucht und Grausamkeit an dem Blut
und Vermögen der Getöteten zu sättigen.
Ich möchte daher jedem Fürsten und jeder Republik, gegen die man
sich verschwört, folgenden Rat geben. Wird eine Verschwörung
entdeckt, so müssen sie, noch ehe sie einen Schritt zur Bestrafung tun,
deren Beschaffenheit gründlich untersuchen und das Kräfteverhältnis
zwischen sich und den Verschworenen genau gegeneinander abwägen.
Finden sie, daß die Verschwörung ausgedehnt und mächtig ist, so dürfen
sie sie nicht eher aufdecken, als bis sie hinreichende Kräfte zu ihrer
Unterdrückung gesammelt haben, sonst würden sie nur ihr eignes
Verderben aufdecken. Bis dahin müssen sie sich durchaus nichts
964