Page 968 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Siebtes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                    Warum der Umschwung von der Freiheit zur Knechtschaft und
                     umgekehrt bisweilen sehr viel, bisweilen gar kein Blut kostet.


                Man könnte im Zweifel sein, woher es kommt, daß die vielen
                Umwälzungen vom freien Staatsleben zur Tyrannenherrschaft und
                umgekehrt, teils mit, teils ohne Blutvergießen ablaufen. Denn soviel man
                aus der Geschichte ersieht, sind bei diesen Umwälzungen bisweilen

                zahllose Menschen ums Leben gekommen, und bisweilen ist keinem ein
                Leids geschehen. Das letztere war beim Übergang Roms von den
                Königen zu den Konsuln der Fall, wo nur die Tarquinier vertrieben
                wurden, ohne daß sonst jemand etwas zu leiden hatte. Das hängt davon
                ab, ob die gestürzte Regierungsform durch Gewalt entstanden war oder

                nicht. Die Aufrichtung einer Gewaltherrschaft kann nur durch Verletzung
                vieler geschehen, und bei ihrem Sturz ist es natürlich, daß die
                Geschädigten sich rächen wollen; aus diesem Rachedurst aber entsteht
                Mord und Totschlag. Ist jedoch ein Staat durch Zustimmung des ganzen
                Volkes entstanden und von ihm groß gemacht worden, so ist später, wenn
                die Staatsform sich ändert, kein Grund vorhanden, einem andern als dem
                Haupt etwas anzutun. Das aber war beim römischen Staat der Fall, als

                die Tarquinier vertrieben wurden, und ebenso in Florenz beim Sturze der
                Medici im Jahre 1494, wo auch niemand außer ihnen zu Schaden kam.
                Darum sind derartige Umwälzungen nicht sehr gefährlich; um so
                furchtbarer sind die, welche von Männern gemacht werden, die sich zu
                rächen haben; ja sie waren stets derart, daß sie den Leser schaudern
                machen. Die Geschichte ist so voll solcher Beispiele, daß ich sie

                übergehen will.






















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