Page 966 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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anmerken lassen, sonst würden die Verschworenen, die sich entdeckt
sehen, in ihrer Not jede Rücksicht beiseite setzen. Die Römer geben uns
ein Beispiel dafür.
Nachdem sie, wie andernorts S. Buch II, Kap. 26. berichtet, zwei
Legionen zum Schutz von Capua gegen die Samniter zurückgelassen
hatten, verschworen sich deren Führer zur Unterdrückung dieser Stadt.
Als man dies in Rom erfuhr, erhielt der neue Konsul Rutilius den
Auftrag, dagegen einzuschreiten. Um die Verschworenen einzuschläfern,
machte Rutilius bekannt, der Senat habe den capuanischen Legionen ihre
Standorte bestätigt. Da die Soldaten dies glaubten und zur Ausführung
ihres Planes Zeit zu haben meinten, suchten sie die Sache nicht zu
beschleunigen und blieben so lange untätig, bis sie merkten, daß der
Konsul sie voneinander trennte. Jetzt wurden sie mißtrauisch, gaben sich
zu erkennen und führten ihr Vorhaben aus.
Es kann nach beiden Seiten kein lehrreicheres Beispiel geben. Man
ersieht daraus, wie langsam die Menschen sind, wenn sie Zeit zu haben
meinen, und wie schnell sie zu Werke gehen, wenn die Not sie treibt.
Kein Fürst und keine Republik, die den Ausbruch einer Verschwörung
hinausschieben wollen, kann ein besseres Mittel anwenden, als den
Verschworenen in geschickter Weise eine nahe Gelegenheit zur
Ausführung zu bieten, damit sie in deren Erwartung oder in dem
Glauben, noch Zeit zu haben, ihrer Obrigkeit Zeit zu ihrer Bestrafung
geben.
Wer anders handelt, beschleunigt seinen Sturz, wie der Herzog von
Athen 1342 gelang es dem letzten der fremden Signori von Florenz, dem
Grafen Gautier von Brienne, Herzog von Athen, mit Hilfe des niederen
Volkes die Verfassung gewaltsam zu beseitigen und sich zum Herrscher
der Stadt zu machen. Er wurde schon 1343 vertrieben. und Guglielmo
de'Pazzi. Als der Herzog Herr von Florenz geworden war und von einer
Verschwörung gegen sich erfuhr, ließ er einen der Verschworenen ohne
weitere Untersuchung festnehmen. Die Folge war, daß die andern sofort
zu den Waffen griffen und ihm die Herrschaft entrissen. Als Guglielmo
1501 Kommissar von Florenz im Chianatal war und erfuhr, daß in
Arezzo S. Lebenslauf, 1502. eine Verschwörung zugunsten der Vitelli
stattfände, um die Stadt den Florentinern zu entreißen, begab er sich
sofort nach Arezzo und ließ, ohne die Kräfte der Verschworenen und die
eignen zu bedenken und ohne sich auf Widerstand gefaßt zu machen, auf
den Rat des Bischofs, seines Sohnes, einen der Verschworenen verhaften.
Kaum war dies geschehen, so griffen die andern zu den Waffen, entrissen
den Florentinern die Stadt, und Guglielmo wurde aus einem Kommissar
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